Viennale Notiz: Störungen

Die Viennale ist ein Festival, über das fast alle ins Schwärmen geraten. Ein wenig das Gegenteil der meisten anderen Festivals, zum Teil sehr berechtigt, zum Teil auch etwas problematisch, weil der Genuss vieler hier letztlich auch mit der fehlenden Dringlichkeit des Berichtens im Vergleich zu anderen Festivals hängt. Natürlich ist die Viennale ein großartiges Filmfest mit einer tollen (der besten) Programmierung (trotz eines unverzeihlichen Auslassens von Angela Schanelecs Der traumhafte Weg) und einem fühlbaren Respekt für den einzelnen Film und Künstler. Man kann sich hier verlieren wie auf keinem anderen Festival, das ich kenne.

Dennoch gibt es einige Kleinigkeiten, die verwundern, stören. Die erste Störung ist durchaus ambivalent. Es handelt sich um die Dragee Keksi und den durch sie verursachten Raschelterror, der oftmals zu Beginn der Vorstellungen über das Kino hereinbricht. Eine Unsitte. Es ist nicht so, dass es prinzipiell etwas gegen die Möglichkeit, diese Kekse umsonst zu bekommen, zu sagen gibt. Ich habe durch sie schon manche Festivalstunde überlebt, in der ich sonst mit verkrampften Gesten zu Boden gegangen wäre, aber es muss hier eine Grenze geben zwischen dem Kinosaal und dem Foyer. Das mag wie eine recht belanglose, beinahe humoristische Beschwerde klingen, aber sie ist sehr ernst gemeint. Denn diese Kekse und ihre furchtbaren Verpackungen sind nur die Spitze einer Rein-Raus-Kultur, die nichts mit A Clockwork Orange zu tun hat. Das beginnt natürlich bei den zahlreichen Mobiltelefonen, die immer wieder aufleuchten, geht über Menschen, die es scheinbar für wertvoll erachten, wenn sie Fotos von der Leinwand während des Films machen, bis zum großen Feind des Kinos auf dem Festival: Der nur leicht kinotaugliche Eric Pleskow Saal. Nun ist es so, dass dieser Saal so etwas wie ein politisches Kuriosum in der Wiener Filmkultur ist. Es wurde genug darüber geschrieben und eigentlich ist das auch ziemlich egal. Das alles hat nichts damit zu tun, dass dieser Saal wie auch der historische Saal im Metrokino mit großen Problemen behaftet sind, die ein Sehen und Hören der Filme beeinträchtigen.. Da kann es noch so nett aussehen wie manche vielleicht finden, wenn sie eine Sache haben für Protz oder weiße, leere Flächen.

Metrokino, @Alexander Tuma

Metrokino, @Alexander Tuma

In diesem Eric Pleskow Saal gibt es nicht eine Saalregie, nein. Es gibt mindestens zwei davon. Und wie im normalen Spielbetrieb des Metrokinos ist es diesen auch während der Viennale scheinbar zu anstrengend, einen ganzen Film im Kino zu verbringen. Und so wechseln sie sich ab. Das wäre an sich nicht schlimm, wenn ein Reinkommen und Rausgehen in diesem Kino nicht derart stören würde. Sitzt man weiter hinten hört man alles, wenn die Tür aufgeht. Sitzt man weiter vorne, rückt plötzlich die Saalregie ins Bild und setzt sich, weil diese Saalregie es für nötig erachtet immer, wirklich immer, etwas zu Trinken bei sich zu haben unter dem Geräusch krachender Plastikflaschen oder zitternder Tassen (jene, die dem Publikum verboten werden) auf den Sitz. Das ist nicht respektlos gemeint. Ich kann mir vorstellen, dass diese Arbeit während des Festivals sehr anstrengend ist. Das Problem ist nur, dass irgendetwas nicht stimmt, wenn die Saalregie Screenings stört. Im Historischen Saal dagegen – und wir reden in beiden Fällen von Kinos, in denen Peter Hutton programmiert wurde, also ein Filmemacher, der von Stille lebt -, hört man immer noch sehr, sehr vieles von außerhalb des Kinosaals. Nun weiß man ja auch vom Stadtkino im Künstlerhaus, dass das Geräusch der vorbei donnernden Straßenbahn irgendwie zum Wien-Flair gehört und sowieso ist dieser Purismus vielleicht fehl am Platz, diese Art der Kinokultur gehört dann halt irgendwie zum Festival, zu Wien dazu. Aber wenn man sich schon die edle Mühe macht, Filme möglichst in ihren Originalformaten zu zeigen, dann sollte man auch zumindest versuchen den Lärm zu beruhigen, der sich dann zum Beispiel über die grandios programmierte Erinnerung und Vergegenwärtigung von Danièle Huillet legt wie ein furchtbarer Sturm der Ignoranz. Es ist klar, dass das mit Straßenbahnen schwerer zu bewerkstelligen ist, als mit Mitarbeitern, die während eines Films durch das Kino spazieren oder Keksen, die man direkt am Eingang in Plastikverpackungen anbietet.

Zu den überall wo ich sie sehen kann, sehr hilfsbereiten, freundlichen und fachkundigen Mitarbeitern der Viennale gehören auch die Moderatoren der Publikumsgespräche. Man hat hier ein wenig das Gefühl – die Diagonale oder auch ein Festival wie das New Horizons machen zum Beispiel vor wie es besser geht -, dass viele Moderatoren mehr wegen ihrer Sprachkenntnisse eingesetzt werden, als wegen ihres Interesses, ihres Verständnisses der Filme. Das gilt natürlich nicht für alle Fälle, aber wenn ich zum Teil das Gefühl habe (und so ging es mir zum Beispiel nach dem Screening von Sergei Loznitsas Austerlitz), dass der Moderator den Film erst in diesem Moment zum ersten Mal gesehen hat und dann in der Folge zehn Minuten seine eigenen Gedanken und Verwirrungen in sehr schwache Fragen kleidet, sodass der Filmemacher durchaus irritiert darüber wirkt, dann ist das problematisch. Mal abgesehen davon, dass mir die Übersetzungen zum Teil sehr hilflos und schlicht falsch vorkommen. Solche Dinge gibt es wohl auf allen Festivals, aber sie gehören trotzdem angesprochen, weil eine Verbesserung hierbei nun wirklich nicht im Bereich des Unmöglichen liegt,

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