Vergangenheit, das Kino und Petzold

Ich habe mir Barbara von Petzold im Kino angesehen (Kritik hier zusammen mit Annie Hall von Woody Allen); an dieser Stelle möchte ich gar nicht weiter auf meine Meinung zum Film eingehen, sondern eher eine allgemeine Beobachtung machen: Im deutschen Kino und Fernsehen beschäftigt man sich sehr häufig mit der Vergangenheit. Das ist gut und wichtig. Es gehört nun mal zu unserer Identität und es wäre absolut falsch diese zu leugnen. 
Petzold und Hoss
Beschäftigen wir uns nicht mit der Vergangenheit machen wir Komödien oder im Fernsehen Krimis. (wobei selbst diese noch sehr häufig in den Bereich der Vergangenheitsbewältigung reichen); das deutsche Kino ist aktuell nicht unbedingt ein Schlechtes. Deutsche Komödien sind durchaus in der Lage an der Kinokasse Geld zu machen und Regisseure wie Hans-Christian Schmidt (Crazy), Benjamin Heisenberg (Der Räuber), Matthias Glasner (Der freie Wille), Maren Ade (Alle Anderen), Christoph Hochhäusler (Unter dir die Stadt), Fatih Akin (Auf der anderen Seite), Hans Weingartner (Das weiße Rauschen), Thomas Arslan (Im Schatten), Angela Schanelec  (Marseille) oder eben Christian Petzold (Gespenster) spielen im europäischen Festivalzirkus eine beachtliche Rolle. 
Gespenster von Petzold
Nur leider habe ich den Eindruck, dass ein „ernster“ Film, also keine Komödie in Deutschland nur Aufmerksamkeit bekommt, wenn er sich eben mit der Vergangenheit beschäftigt. Als wären wir ein Land ohne Gegenwart. Das bedeutet nicht, dass es nicht viele Filme gäbe, die sich mit der Gegenwart beschäftigen. So sind alle Filme, die weiter oben in Klammern aufgeführt worden sind Gegenwartsfilme. Dennoch lassen wir nicht los. Immer wieder gibt es einen „neuen“ Film zum „alten“ Thema; einen Blick den man so noch nie gesehen hat. Eine neue Perspektive, eine neue, tragische Randgeschichte. Es ist vollkommen klar, dass es im Umfeld dieser Themen viele spannende Geschichten zu erzählen gibt, aber wenn man den deutschen Film nicht gleich beerdigen will, dann muss man bitte damit aufhören. Denn dann ist der deutsche Film vielleicht kein Schlechter, aber ein langweiliger. Die Generation, die heute eigentlich den Hauptanteil der Kinogänger geben sollte und die für den Fortbestand des Kinos sorgen muss, (16-28 Jahre alt) ist eine Generation, die keine Lust mehr hat auf Vergangenheitsbewältigung. Deutschland ist ein vielfältiges, vielkulturelles Land geworden, mit einer neuen Energie und da wir inzwischen wenigstens in der Lage sind über unsere Vergangenheit zu lachen, müssen wir jetzt endlich damit anfangen Film wieder als Gegenwart zu betrachten, als Möglichkeit das Leben auf die Leinwand zu bringen und nicht den Tod. 
Der Wixxer-Hitler-Parodie
Wenn ein großartiger Regisseur wie Petzold sich dafür entscheidet einen Film über die DDR zu machen und zwar, weil er das Gefühl hat, dass die DDR noch nie so gezeigt wurde, wie sie wirklich war, dann ist das sein gutes Recht und der Film bestätigt ihn zum Teil auch wirklich. Aber das ist für mich keine Frage von Ästhetik oder Kunst, es ist eine politische Frage.  Mir fehlt leider (noch) der genaue Einblick, inwiefern man diesen Missstand beheben kann, wenn überhaupt, aber ich möchte anmerken, dass es diesen Missstand gibt. Der Inhalt regiert im deutschen Kino und nicht die Kunst. Man muss sich weigern das Fördergeld wegen politisch interessanten Themen zu bekommen, man muss sich weigern die Presse aufgrund eine politischen Diskurses zu bekommen; vielmehr geht es doch darum, dass Filme wieder Filme sein können. Momentan ist das rumänische Kino ein Vorreiter. Auch dieses Kino beschäftigt sich mit Inhalt, Politik und der Vergangenheit. Aber diese Themen stehen zumindest hinter einer Filmsprache zurück, die es auch bei Petzold mal stärker ausgeprägt gegeben hat. Film ist immer auch Geschichte. Aber bitte erst an zweiter Stelle. Und da es eine derart lange Zeit dieselben politischen Diskurse im deutschen Kino gegeben hat, sind wir froh über jeden Film, der sich im heutigen Deutschland mit modernen Problemen beschäftigt und versucht ein modernes Bild von Deutschland zu geben, das dann auch gerne ein Gefühl von Kollektivschuld und Vergangenheitslast vermitteln darf. Da die Generation der heutigen Filmemacher noch nicht in der Lage ist, diese Gedanken von sich abzustreifen, ist es vielleicht der Filmemacher von Morgen?
(ich bin mir bewusst, dass dies ein heikles Thema ist und möchte darauf hinweisen, dass ich diese Gedanken eher aus einem emotionalen Affekt geschrieben habe, als aus längerer Reflektion, wobei mich der Gedanke an sich schon länger beschäftigt; es geht auch nicht zwangsläufig nur um Vergangenheitsthematik, sondern allgemein: Politische Themen.)
Der Untergang
Le pornographe-Bertrand Bonello
Ein stranger Film, irgendwo zwischen absurder Komödie, Porno und melancholischem Drama. Die Bilder sind langsam; man ist ob des Schauspiels gebannt, aber man hat das Gefühl betrogen zu werden. Nicht aufgrund des bewussten Auslassens von Informationen, sondern aufgrund bestimmter Wechsel im Erzählton, die man allzu schnell durchschaut.
Fanny och Alexander-Ingmar Bergman
Bergman hat immer den richtigen Blick; bei ihm gibt es keine falschen Entscheidungen, nur interessante Entscheidungen. Ein Familienepos, das schwer daherkommt und auch nicht leichter wird. Aber hier wird mit einem Bleistift ein riesiges Gemälde gezeichnet: Zerbrechlich und doch unendlich.

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