Diagonale-Dialog 1: Der Scherbenhaufen

TRAILER von Sasha Pirker und Lotte Schreiber

Nachdem Rainer nun einen Tag nach Patrick ebenfalls in Graz erschienen ist, setzen die beiden ihre kleine „Tradition“ des Festivaldialogs fort. Sie eröffnen den Reigen mit einer kurzen Diskussion über den Status quo des Festivals und ein paar erste Filmerfahrungen, die sie gemacht haben.

Rainer: Einiges hat sich geändert, durch die neue Festivalführung, vieles ist unverändert geblieben. Kannst du schon etwas dazu sagen, was Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger an frischem Wind zur Diagonale gebracht haben?

Patrick: Ich habe schicke Diagonale-Fahrräder gesehen. Ich weiß nicht, ob es sowas schonmal gab. Ansonsten fühlt es sich relativ gleich an, hier zu sein. Hatte das aber nicht anders erwartet. Für dich?

Rainer: Ich teile deine Erfahrung. Einerseits war natürlich nicht zu erwarten, dass sie am gelungenen Konzept von Barbara Pichler große Veränderungen vornehmen (zumal sie aus den eigenen Reihen aufgestiegen sind), andererseits gibt es dann wahrscheinlich auch gar nicht so viele Möglichkeiten in nur einem Jahr wahnsinnig viel an den Strukturen zu ändern. Immerhin hat der neue Elan in der Programmgestaltung dazu geführt, dass dein Film Fragmente einer Trauerarbeit gezeigt wird – gestern war Premiere – bist du zufrieden damit, wie es gelaufen ist?

Patrick: Ich denke schon. Ich fühle mich merkwürdig distanziert dazu, vielleicht ein gutes Zeichen. Als wäre es gar nicht unbedingt mein Film, sondern einfach mein Beitrag, für den ich geradestehe. Der Film hat sich gestern schon sehr für mich verändert, es ist eine Art Geburt ohne mich gewesen. Lass uns lieber über andere Arbeiten sprechen…hast du an deinem ersten Tag schon etwas entdeckt?

Rainer: Die größte Entdeckung war eigentlich schon dein Film, auch wenn das an dieser Stelle natürlich etwas seltsam klingt. Sonst habe ich noch nicht allzu viel gesehen. Das erste Programm der Avantgardefilmsektion „Innovatives Kino“ (die Bezeichnung könnte die neue Festivalleitung ändern…) war unerwartet zahnlos. Ich strukturiere meine Sichtungen auf der Diagonale meist rund um die Avantgardeprogramme und das lohnt sich meistens auch, aber diese sechs Filme waren so selbstbezogen und nüchtern, dass der Funke nie übergesprungen ist.

Patrick: Ok. Wenn wir von Zahnlosigkeit sprechen, kann ich dir auch noch sagen, dass der Eröffnungsfilm Maikäfer flieg mit Sicherheit ein Film ist, der uns hier nicht beißt. Zur Avantgarde noch eine Frage, weil wir sie ja jedes Jahr stellen: Der Trailer , der dieses Jahr den Namen TRAILER trägt. Wie findest du den?

Rainer: Ich habe den Trailer tatsächlich noch nicht im Kino gesehen, diese Frage muss also noch warten. An und für sich habe ich aber durchaus Vertrauen in Sasha Pirker und Lotte Schreiber.

Patrick: Es ist ja ein Wortspiel, also ein neues Genre? Ich überlege gerade, ob es Titel gibt, die man als Wortspiel auf den Film sehen kann.

Rainer: Ich glaube, dass würde ich sehr plump finden.

In, Over & Out von Sebastian Brameshuber

Patrick: Ja, das ist auch ein wenig mein Problem damit. Das ist schon eine sehr hippe Idee mit dem Trailer-Trailer. Aber es ist eine schöne Szene. Übrigens musste ich hier ja gleich bei der Eröffnung Angela Schanelec gegen einige Ungläubige verteidig und habe dabei so wild mit meinen Armen herumgefuchtelt, dass ich einer Kellnerin viele Gläser aus der Hand geschlagen habe. Ich erzähle dir das, weil ich finde, dass es hier auch immer ein wenig so ist wie auf einem Scherbenhaufen. Alles spiegelt sich, es glänzt, es ist fragmentiert, es gehört irgendwie alles zusammen, wünscht sich Glück und so weiter. Und in dem Sinn ist so ein Wortspiel vielleicht recht sinnvoll. Es sind Dinge, die nicht zusammengehören, obwohl sie zusammengehören. Das sind einfach die Freuden und das Leid eines nationalen Festivals und da ist Trailer ja ein gutes internationales Wort.

Rainer: Das ist ein schönes Bild, das sicher nicht nur auf die Diagonale zutrifft. Es wird ja seit Jahren versucht dem nationalen Branchentreffen einen internationalen Anstrich zu geben, und in diesem Sinne ist der Titel sicher nicht verkehrt – ich werde darauf zurückkommen, wenn ich den Trailer gesehen habe.

Patrick: Wie war denn der Brameshuber-Film In, Over & Out für dich? Habe den auf der Viennale gesehen und fand ihn schon sehr gut gemacht, aber in seinem Lumière-Konzept etwas unschlüssig.

Rainer: Auch ein ziemlicher Scherbenhaufen dieser Film und das ist durchaus positiv gemeint. Was das mit den Lumières zu tun haben soll, erschließt sich mir auch nicht ganz, aber aus technischer Sicht ist das auf jeden Fall mal interessant. Diese verschiedenen Entwicklungsstufen von Film- und Videokameras Seite an Seite vermitteln schon ein tieferes Verständnis für das Verhältnis von technischem Fortschritt und künstlerischem Ausdruck, herausgestochen ist der Film jedoch nicht wirklich. Ich tue mir überhaupt noch etwas schwer, über die bisherigen Erfahrungen zu berichten, es braucht denke ich noch Zeit, bis ich wirklich etwas Fundiertes von mir geben kann. In diesem Sinne: tomorrow, same place, same time?

Patrick: Very well, Sir.