Jean Giono/Carine Bouvard

Viele junge Mädchen in Venedig sind blutarm. Sie gehen in die Schlachthäuser, um das warme Ochsenblut zu trinken. Man begegnet diesen stets sehr koketten Geschöpfen am Morgen. Sie bringen in ihrer Handtasche ein Glas mit oder einen Silberbecher mit ihren Initialen. Es gehört zum guten Ton, der jungen Tochter des Hauses einen solchen Becher zu verehren, wenn man sie besonders blass findet. Die jungen Damen warten in der Nähe des Tieres, das geschlachtet wird, stehen aber nicht Schlange, was sich in England sehr bald durchsetzen würde. Ein Schlachterbursche sticht in die Schlagader, und das Blut fängt an zu rinnen; manchmal spritzt es in einem kräftigen Strahl heraus. Es verlangt viel Geschick, das Glas zu füllen, ohne sich zu besudeln. Anfängerinnen, die dazu nicht in der Lage sind, werden von ihren Müttern begleitet. Man muss das Blut sofort und in einem Zug trinken und sich dann ein grobes Salzkorn auf die Zunge legen. Diese Medizin tut anscheinend Wunder. Ein Glas Blut kostet gegenwärtig fünfundzwanzig Lire und außerdem die Summe, die man in die Büchse tut, mit der der Schlachterbursche den Damen unter der Nase herumfuchtelt, ehe er die Ader ansticht. Das Fleisch eines so zur Ader gelassenen Ochsen soll, heißt es, weniger gut sein. Die Schlachter versuchen natürlich, es zum gleichen Preis wie das andere Fleisch wie das andere Fleisch zu verkaufen; aber die Frauen behaupten, es genau erkennen zu können, und nennen es castrone: ein unübersetzbarer Scherz, da es sich ja bereits um einen Ochsen handelt.

(Jean Giono. In Italien um glücklich zu sein)

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