Surrealismus und Soju: Hong Sang-soo

Dieser Text basiert auf einem Vortrag, den ich zum Anlass von Hong Sang-soo-Retrospektiven in Bern, Basel und Nürnberg halten durfte.

Hong Sang-soo ist ein wichtiger Filmemacher. Das heißt, er ist wichtig für mich. Warum das so ist, kann man gar nicht so leicht sagen. Man rudert mit den Armen, wiederholt, was man gesehen hat, versucht zu verstehen. Oder man schreibt es auf. Das ist, was ich versuchen möchte. Ich strukturiere den Text in Kapiteln. Vielleicht weil der Südkoreaner seine Filme auch gern klar strukturiert. Wie er es manchmal tut, möchte ich auch mit einem Prolog beginnen.

Prolog: Soju

Eine Retrospektive zum Kino von Hong Sang-soo in der Schweiz (kuratiert von Beat Schneider) trug den Titel „Trinken, reden, lieben“. Die Verben treffen ziemlich genau den Kern des Schaffens von Hong, die Reihenfolge nicht unbedingt. „Lieben, trinken, reden“ wäre ein Vorschlag, aber viel eher wäre es wohl „Trinken, reden, trinken, lieben, trinken, trinken“. Das hat viel mit Soju zu tun. Wie der Whiskey bei John Ford oder der Sake bei Ozu ist dieses südkoreanische Nationalgesöff weit mehr, als ein Requisit bei Hong. Es ist alles, was man in Drehbuchseminaren lernt in einem Objekt: Plot Point, Nebenfigur, Motivation, Challenge, Deus Ex Machina und Love Interest. Zuvor ist Soju aber der bestverkaufte Schnaps der Welt. Das liegt auch am billigen Preis und den schrillen Werbungen mit Prominenten Südkoreas wie Herrn Gangman Style Psy. In verschiedenen Statistiken führt Südkorea daher auch, wenn es um den Spirituosenverkauf pro Kopf geht. Die kapitalistische Effizienz verkauft ihr Gegengewicht. Flaschenweise wird das Getränk gekippt bei Hong (es sei angemerkt, dass auch Bier, Whiskey oder Wein getrunken werden). Der Soju bei Hong nährt den Verdacht, dass alle großen Filmemacher ein Bündnis mit dem Alkohol eingehen. Privat oder in den Filmen, meist beides zugleich. Seit dem 14. Jahrhundert wird das Getränk aus Reis destilliert. Man kann es auch anders gewinnen, aber man sagt mir, dass nur aus Reis gewonnener Soju von Wert ist. Ich kenne mich damit nicht aus und ahne, dass Soju nicht der Grund ist, warum mir Hong gefällt.

Meist wird Soju bei Hong am Tisch inszeniert. Es heißt, man erkenne große Filmemacher, an der Art und Weise, in der sie Tischszenen inszenierten. Hong führt dieses Prinzip beinahe ad absurdum, denn in seinem Kino gibt es derart viele Tischszenen, dass man weder deren Qualität noch die Anzahl an leergetrunkenen Flaschen zählen oder gar bewerten könnte. Es muss etwas Anderes sein, dass Hong zu einem so außergewöhnlichen Filmemacher macht. Es hat zu tun mit dieser Mischung aus Begehren, Entfremdung, Albernheit, Zärtlichkeit, Widerlichkeit und Peinlichkeit, die sein Kino beseelt. Ein Kino, das sich mit dem ganzen Spektrum menschlicher und vor allem männlicher Zulänglichkeiten und vor allem Unzulänglichkeiten befasst.

1 Fremdheit

Bei Hong ist selten wer zuhause. Meistens suchen sich die Menschen mehr, als dass sie sich finden. Meine erste Begegnung mit seinen Filmen war Night and Day. Der Film folgt dem Künstler Kim Sung-nam nach Paris. Er ist mehr oder weniger auf der Flucht vor Südkorea, einer drohenden Verhaftung wegen Marihuana-Besitz, seiner Ehefrau. Langsam und ungeschickt findet er sich in Paris zurecht. Ein Film wie der diesjährige Berlinale-Gewinner Synonymes von Nadav Lapid ist da nicht so weit entfernt. Hier wie dort wird verhandelt, wer man ist und wer man sein könnte. Die Antworten sind fließend. Es sind oft Künstler, meist Filmemacher, die im Zentrum von Hongs Filmen stehen, trinken, lieben und driften. Sie haben Dates, besuchen Freunde und Ex-Freunde, landen in überraschenden Situationen immerzu angetrieben vom Potenzial einer menschlichen Nähe.

Hong selbst ist ein bisschen ein Reisender, ein Außenseiter. Das beginnt bereits mit seinem Werdegang. Er erzählt gern, dass er gelangweilt in der Fotoklasse der Kunstschule in Seoul gesessen habe. Dort habe er aus dem Fenster geblickt und einige Kollegen aus der Filmklasse auf der Straße einen Film drehen sehen. Er sei zu ihnen gegangen und ehe er sich versah, wäre er in der Filmklasse gelandet. Dort habe es ihm aber nicht gefallen. Ohne sich genau zu erinnern wie, habe er plötzlich Kunst in Chicago studiert. Alles was in seinem Leben passiere, passiere zufällig, sagte er einmal. Diese Beobachtung trifft auch auf seine Filme zu. Fredi M. Murer hat einmal auf die Frage nach seinem Berufswunsch entgegnet: „Ich möchte ein Fremder sein.“. Hong hat Murers Traumberuf gefunden.

Die Protagonisten treffen nicht wirklich Entscheidungen. Es herrscht ein treibendes Passivitätsgefühl, ein konstantes Missverstehen und in meiner ersten Begegnung mit Hong fand ich mich darin wieder. Statt zu entscheiden, wundert man sich und ehe man sich arrangiert, ist die nächste Situation schon hinfortgespült. Entscheidend in der Welt von Hong ist daher auch das, was man als Missverstehen bezeichnen könnte, auch wenn es häufiger unter dem Begriff der Kommunikation läuft.

Kommunikation, die Sprache an sich meint. In Filmen wie In another country, Night and Day oder On the Beach at Night Alone werden Südkoreaner mit Fremdsprachen konfrontiert und andersherum. Es entsteht ein Vakuum des Nicht-Verstehens, der versuchten Übersetzung von einer Sprache in die andere. Leerlaufende Bemühungen, Hilflosigkeit, ungelenkes Begehren. Die Sprache ist ein Hindernis. Sie kommt zu schnell, zu laut aus den Betrunkenen, zu durchschaubar aus den Stolzen, zu banal aus den Schüchternen. Mindestens genauso oft wie die Figuren an Tischen miteinander sprechen, telefonieren sie. Es gibt keinen Filmemacher in der Geschichte des Kinos, bei dem so viel telefoniert wird wie bei Hong. Sprache und Kommunikation dekonstruieren sich noch viel schärfer, wenn man sie durch ein Gerät hört und einem Menschen dabei zusieht wie er in dieses Gerät spricht.

Die Antwort auf diese Entfremdungen bei Hong ist nun aber keine existenzialistische oder spirituelle Krise, zumindest nicht auf den ersten Blick, sondern vielmehr ein banales Schulterzucken und die Frage: Was soll man schon tun im Angesicht der Sinnlosigkeit?

2 Vertrauen

Nun begegnet man diesem Fremden, aber immer wieder. Wie oft kann man einem Fremden begegnen, ohne dass es vertraut wird? Hong, von dem es 2019 tatsächlich keinen neuen Film zu sehen gab, dreht in der Regel 2-4 Filme pro Jahr. Man hat das Gefühl, dass er filmt, um zu überleben. Nicht ganz so destruktiv wie Fassbinder, aber ähnlich obsessiv. Sein Stil ist hochgradig wiedererkennbar, böse Zungen behaupten, er drehe immer den gleichen Film. Das liegt auch daran, dass bestimmte Merkmale gleich bleiben. Zum Beispiel seine Schwenks oder die von Laien als wenig professionell empfundenen flache Bilder oder Zooms, die er seit seinem siebten Film Woman on the Beach einsetzt. Dazu noch eine betuliche oder klassische Musik, die vielen Tischszenen und ähnliche Figuren, Konstellationen und Motive, ja selbst die Titel scheinen immer die gleichen zu sein. Das geht bei Right Now, Wrong Then so weit, dass er zu Beginn des Films seinen eigenen Titel bricht und mit „Right Then, Wrong Now“ startet ehe in der Mitte des Films der eigentliche Titel zum Tragen kommt. Weniger böse Zungen sagen, dass Hong besser wird, je öfter man ihn sieht.

Diese weniger bösen Zungen leben auf Festivals. Sie sehen meist viele Filme und wundern sich, warum Hong, der eigentlich vieles mitbringt, was man von einem massentauglichen Kino erwartet (Sex, Humor, Identifikation), ebendort nicht ankommt. Hong ist ein Festivaldarling. Er bekommt Preise auf Festivals, deren künstlerische Leiter in seinen Filmen spielen. Man kann mit ihm abhängen und Soju trinken, so ein Fremder ist er nicht. Er ist auch ein Filmemacher für Filmemacher. Man spricht über ihn, die cinephile Welt, die sich sowieso so gerne teilt, teilt sich in jene, die eingeweiht sind in Hong und jene, die es nicht sind. Die Retrospektiven seiner Arbeit, die ich besuchen durfte, waren allesamt eher schlecht besucht. Dabei ist sein Kino nicht (wie man so schön in Fachzeitschriften formuliert) sperrig oder intellektuell abgehoben. Im Endeffekt geht es um Beziehungen, um Leidenschaften. Das Tal, das zwischen dem Hong der Filmfestivals und dem Hong des regulären Kinos zu durchqueren ist, beschreibt den Status Quo des Kinos.

3 Variation

Man sagt, dass Hong in seiner Zeit in Chicago immer Robert Bressons Notizen zum Kinematographen in der Jackentasche getragen habe. In diesem Buch, das von vielen Filmemachern instrumentalisiert wurde, steht der Aphorismus: „Ändere nichts und mache alles verschieden.“. Dieser Satz trifft ziemlich genau zu, auf das, was Hong wirklich macht. Vom Immergleichen zu sprechen, greift entscheidend zu kurz. Seine Liebes- und Triebgeschichten verändern sich, seine Erinnerungslücken treten in unterschiedlichen Erscheinungen auf und verändern, das was gesehen und das was erwartet wird. Mit den Erwartungen spielt er sowieso. Sein Insider-Humor hat wiederum mit seiner elitären Festivalexistenz zu tun. Er selbst bringt es auf den Punkt: „Nicht viele Menschen haben meine Filme gesehen.“. Daraus gewinnt Hong, wie aus so vielem, Freiheit. Es gibt auch klare Entwicklungen in seinem Kino. So hat sich seine Darstellung von Sex verändert. In seinen frühen Filmen zeigte er den Geschlechtsakt recht explizit, heute begnügt er sich meist mit Andeutungen. Außerdem hat er seinen Prozess verändert, schreibt keine wirklichen Drehbücher mehr. Das merkt man.

Sein Kino scheint eng mit seinem Leben verknüpft. Er schreibt eine fiktionale Autobiografie, an der die Verbindung zum Leben gleichermaßen entscheidend und unerheblich ist. Wie ein Mensch bleiben seine Filme immer gleich und verändern sich dauernd. Neben Bresson verehrt Hong auch einen weiteren Meister der Variation, Paul Cézanne. Dieser folgte dem Motto, sich Dinge so ansehen zu wollen, wie sie sind. Das trifft auch auf Hong zu. Der Blick auf ein Gesicht ist unverstellt. Die Variation liegt in der Empfindung des Sehenden, im Ausdruck der Betrachteten, im Licht, im Rhythmus, im Zufall.

Im wissenschaftlich umstrittenen und teilweise fiktionalen (und gerade deshalb so wertvollen) Gespräch, das Joachim Gasquet mit Cézanne geführt hat, äußert sich der Maler wie folgt: „Die Natur ist immer dieselbe, aber von ihrer sichtbaren Erscheinung bleibt nichts bestehen. Unsere Kunst muss ihr die Erschütterung der Dauer geben, mit den Elementen und der Erscheinung all ihrer Veränderungen. Die Kunst muss ihr in unserer Vorstellung Ewigkeit verleihen. Was ist hinter der Natur? Nichts vielleicht. Vielleicht alles. Alles, verstehen Sie? Also verschränke ich diese umherirrenden Hände. Ich nehme rechts, links, hier, dort, überall diese Farbtöne, diese Abstufungen, ich mache sie fest, ich bringe sie zusammen…Sie bilden Linien, sie werden Gegenstände, Felsen, Bäume, ohne dass ich daran denke. Sie nehmen ein Volumen an, sie haben einen Wirkungswert. Wenn diese Massen, diese Gewichte auf meiner Leinwand, in meiner Empfindung den Plänen, den Flecken entsprechen, die mir gegeben sind, die wir da vor unseren Augen haben, gut, meine Leinwand verschränkt die Hände. Sie wankt nicht. Sie greift nicht zu hoch und nicht zu tief. Sie ist wahr, sie ist dicht, sie ist voll…Aber wenn ich die geringste Ablenkung habe, die leiseste Schwäche fühle, besonders wenn ich einmal zu viel hineindeute, wenn mich heute eine Theorie fortreißt, die der von gestern widerspricht, wenn ich beim Malen denke, wenn ich dazwischenkomme, päng, dann entwischt alles.“

4 Prozess

Hong denkt nicht, wenn er Filme dreht. Zumindest arbeitet er, um nicht denken zu müssen. Ein Film beginnt bei ihm mit Spaziergängen und Ausflügen. Er findet Locations, die ihn zu Darstellern inspirieren oder andersherum. Er hat keine Geschichte im Kopf, keine Bilder. Zu Beginn seiner Karriere schrieb er noch Drehbücher. Heute versucht er so wenig wie möglich schriftlich festzuhalten. Hong sucht nach größtmöglicher Freiheit. Findet er eine Straßenecke oder ein Pub, die ihm gefallen, holt er sich eine Dreherlaubnis. Einem Restaurantbesitzer etwa sagt er, dass er in einigen Wochen zwei- oder dreimal kommen würde und erst einen Tag vorher Bescheid geben könne. Mit den Darstellern arbeitet er in ähnlicher Ungewissheit. Man trifft sich einige Male, spricht, diskutiert. Einen Film gibt es nicht, es geht um alles außer den Film, den man zusammen drehen wird. Manchmal trifft Hong Schauspieler, die dann nur in einer Szene vorkommen. Andere werden plötzlich zu Protagonisten. Es gibt keine Hintergrundgeschichten für sie, keine psychologischen Motivationen. Nach einigen Wochen geht es dann los. Hong steht früh am Morgen auf und schreibt in einer Art Écriture automatique drei oder vier Szenen nieder. Dabei lässt er sich von seinem eigenen Leben, dem Leben der Schauspieler und Literatur, die er gerade liest, beeinflussen. Die Darsteller bekommen ein bis zwei Stunden um den Text zu lernen, dann wird geprobt. Hong schaut sich die Probe an und greift möglichst wenig ein. Mit dem ersten Take findet er die Kameraeinstellungen. Er steht hinter seinem Kameramann und tippt diesem für Richtungen oder Schwenks auf die Schulter. Im Durchschnitt dreht er eine Einstellung in acht Takes. Dann geht es weiter. So läuft das über Tage oder Wochen und an einem Morgen weiß Hong, dass es nun vorbei ist. Als er bei einer Retrospektive in New York gefragt würde, wie lange er an einem Film schneide und er ernst entgegnete: „Einen Tag.“, erntete er schallendes Gelächter. 95 % dessen, was er drehen würde, lande auch im fertigen Film.

Hong, der eine Zeit lang an einer Filmschule unterrichtete und dort auf die Ressourcen (und Studenten) für seine Filmarbeit zurückgriff, arbeitet enorm ökonomisch und effizient. Sein Prozess ist einer, der nach Freiheit sucht und diese gefunden hat.

5 Scham

Nun gibt es Filmemacher, bei denen erkennt man sich selbst auf der Leinwand. Hong aber ist ein Filmemacher, bei dem erwischt man sich selbst auf der Leinwand. Das gilt vor allem in Fragen der Männlichkeit, denn kaum wer legt derart schonungslos männliche Eitelkeit und Macho-Denkweisen offen wie Hong. In seinen Filmen entsteht eine dringliche Ambivalenz zwischen Schamgefühlen und Humor. Man lacht auch, um zu bedecken, was allzu nackt vor einem liegt. Jacques Aumont hat im Zusammenhang mit Hong von einer Idiotie geschrieben. Diese meint nicht nur, dass es dort so manchen Idioten in den Filmen gibt, sondern viel größer gedacht, dass Idiotie ein ambivalent im Menschen verankertes Verhaltensmuster ist und Hong genau diese Muster untersucht. Ein Tierfilm, in dem man das Paarungsverhalten eines Vogels sieht, hat Ähnlichkeiten mit manchen Szenen von Hong.

In meinen Augen ist Hong auch ein feministischer Filmemacher. Zwar blickt er ganz klar mit den Augen der Männlichkeit auf die Welt und auch auf die Frauen in seinen Filmen, aber dieser Blick wird derart präzise ausgestellt und betont, dass man gar nicht anders kann, als zu bemerken, wie Frauen deshalb auf Männer blicken müssen. Elissa Suh hat bei Mubi Notebook ( https://mubi.com/notebook/posts/when-hong-sang-soo-pays-you-a-compliment) zum Beispiel über die Komplimente bei Hong nachgedacht. Im Lauf seiner Karriere sind die weiblichen Figuren wichtiger geworden bei Hong. Das liegt auch an Kim Min-hee, die in sechs seiner Filme die Hauptrolle übernahm. Die inzwischen aufgelöste private Beziehung zu ihr verursachte einen Skandal in Südkorea. Im Kino war ihr Einfluss spürbar, die Traumwelten konnten auch weiblich sein, das Begehren wurden gegenseitiger.

Trotzdem bleiben die Frauen bei Hong oftmals ein obskures Objekt der Begierde, um den einen Filmtitel zu nennen, der als einziger genauso passend auf die gesamte Filmographie Hongs anwendbar ist wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

6 Surrealismus

Wer jetzt allerdings glaubt, Hong sei ein realitätsnaher Analytiker menschlicher Beziehungen à la Éric Rohmer, irrt sich. Eigentlich irrt man schon, wenn man glaubt, Hong überhaupt verstehen zu können. In all seinen Filmen gibt es mehr als eine Realitätsebene. Lücken, Ellipsen, Gedächtnisschwund sowie merkwürdiges, bisweilen unerklärliches Verhalten ist integraler Bestandteil eines Tages im Leben eines Hong-protagonisten. Immer wieder stellt sich die Frage, ob alles nur im Trunkenheitsrausch geschehe oder gar nur erträumt wurde. Hong ist ein Liebhaber der Fiktion, nichts bleibt sicher. Zeitschleifen, Verwechslungen und Doppelgänger heben Chronologie und Identifikation aus den Angeln.

Geprägt vom Zufall, die nicht erst seit einem berühmten Würfelwurf eine Kategorie des Surrealismus ist, macht Hong ein Kino der Spleens. Objekte und Szenen tauchen bei ihm wieder und wieder auf, sie fordern das heraus was ist und was sein könnte und was sein würde sowieso. Es würde sich ein Trinkspiel (mit Soju zweifellos) anbieten. Zum Beispiel immer dann, wenn man eine Zigarette sieht oder jemand nach einer Zigarette fragt. Oder wenn Menschen auf Fahrrädern durch das Bild fahren, vor allem solche, die nichts mit der Szene zu tun haben. Oder wenn Frauen die Natur berühren, etwa mit ihrer Hand einen Busch streifen oder mit den Fingerspitzen Schnee berühren. Oder wenn Figuren an Tischen sitzend einschlafen. Man findet etwas bei Hong oder man findet nichts.

Wenn ich eines von ihm lerne, dann das es für bestimmte Dinge keinen Grund gibt. Sie sind einfach.

Am Dienstag, den 17. September um 20:15 Uhr zeigen wir im Rahmen unserer Reihe „Hidden Smiles“ In another country von Hong-Sang-soo.