Out of the Dark: Nice Girls Don’t Stay For Breakfast von Bruce Weber

Robert Mitchum gehört wohl zu den wenigen Schauspielern von denen ich mir ein Buch kaufen würde, das nur aus seinen Zitaten besteht. Bruce Weber bewahrt diese Überzeugung in seinem Porträtfilm Nice Girls Don’t Stay For Breakfast. Wie alle Filme dieses Art wird und kann man sich die Arbeit kaum wegen des recht gewöhnlichen Films selbst ansehen, sondern nur wegen seines Inhalts. Zumal Weber tatsächlich in den 1990ern noch mit Mitchum drehte. Wiederholt erzählt er aus dem Off wie es ihm gelungen ist Mitchum zu diesem Projekt zu überreden. Als müsste er sich selbst davon überzeugen, dass er wirklich mit ihm gedreht hat.

Mit Hornissensonnenbrille, umringt von Frauen, beinahe schmunzelnd über seine sorgenfreie Art, die nicht von seinen Rollen unterscheidbar ist, sitzt Mitchum dann in einem Hotel, singt Jazz-Lieder ein oder flaniert etwas herum: Er telefoniert mit Frauen, spricht über seine Karriere, aber eigentlich tanzt er mit der Kamera. Nicht, dass er sie auffordern würde, aber sie fordert ihn auf und dann reicht ein kurzer Blick, ein Erkennen und schon hat seine Präsenz den filmischen Raum erobert. Die letzte Szene des Films, in der Mitchum etwas verloren wartend auf der nächtlichen Straße steht als wäre er das Cover eines Jazz-Albums, um dann schulterzuckend zu bemerken: “The Last of the Mohicans“ ist dann tatsächlich ein Stück großes, wiedererwecktes Kino, das diesen Film über viele andere seiner Art hebt.

Manchmal sieht man Mitchum auch gehen. Dann wird klar, was ein Bewegungsbild wirklich ist. In seinem bis zur Hälfte gelungenen Film Empire de la perfection philosophiert Julien Faraut mit Hilfe von Serge Daney über Tennis und die Parallelen zum Kino. Eines der Argumente ist die Kontrolle über Raum und Zeit und die Analogie zwischen dem Ende eines Ballwechsels und dem Ende einer Aufnahme. John McEnroe wird als großer Filmemacher verstanden in dieser Hinsicht, weil er ein Herrscher über Raum und Zeit war. Bei Mitchum fühlt man eine ähnliche Kontrolle, nur dass sie ihm – ganz im Gegenteil zu McEnroe – völlig egal scheint. Statt Raum und Zeit zu beherrschen, wird er selbst zu Raum und Zeit. Wäre Mitchum im Tennissport zuhause gewesen (nichts könnte wohl weiter entfernt von dem Mann sein, der eigentlich ein Verbrecher werden wollte) er wäre der Ball gewesen, den niemand je getroffen hätte. Er wäre dort aufgekommen, wo niemand ihn hingeschlagen hat, er wäre so langsam geflogen, dass alle Spieler auf ihn hätten warten müssen und ja, alle wären ganz verrückt nach ihm geworden.

In Mitchum pulsiert eine Übermännlichkeit, die sich mal selbst bricht und mal unverrückbar vor einem steht. Man kann ihn manchmal nur hassen, aber er scheint das selbst zu tun. Die Vergewaltigungsszene aus Cape Fear mit Polly Bergen bekommt große Aufmerksamkeit im Film, auch weil die Schauspielerin berichtet, dass Mitchum in der Szene Dinge tat, die so nicht abgesprochen waren. Er wäre nach der Szene aber beinahe erschrocken und habe sich zigmal entschuldigt, sie habe sich in ihn verliebt, als er so reagierte. Diese Mischung aus unkontrollierter Troublemaker-Sexualität und großer Zurückhaltung lässt den zeitgenössischen Diskurs um solche Themen in tausend Teile zerbrechen. It’s a Man’s, Man’s, Man’s World lässt Weber dann James Brown und Luciano Pavarotti singen zu Bildern von Mitchum. Diese Montage trifft einen Kern in Mitchum, weil sie gleichzeitig vor Männlichkeit nur so strotzt und trotzdem ironisch-kritisch hinterfragt.

Ansonsten sprechen allerhand Schauspieler und Freunde, Kolleginnen und Liebhaberinnen über diesen Riesenmacho mit dem weichen Kern. Natürlich hätte Weber auch einen richtigen Film machen können, in dem er diese Szenen einfach ausgelassen hätte. Sie lachen viel, wenn sie ihre Anekdoten loswerden. Vor allem Clint Eastwood. Johny Depp hat eine Karriere dabei. Wie schön. Es ist erstaunlich oder doch bestätigend wie ausdruckslos sie wirken gegenüber Mitchum. Man hat viel Zeit mit dem Film darüber nachzudenken, was Mitchum so faszinierend macht. Wie bei vielen Hollywoodstars früherer Jahre hat viel davon mit Legendenbildung und geschickter Imagepflege zu tun. Entscheidend scheint aber vor allem ein feiner Balanceakt zwischen Ignoranz und Zuwendung. Immerzu blickt man ihn an, egal ob in seinen Rollen oder in den dokumentarischen Aufnahmen von ihm, und fragt sich, ob es ihm wirklich egal ist oder nicht. Auf dieser feinen Linie zwischen Oberfläche und Seele, Wärme und Kälte, Egoismus und Liebe entsteht dann ein Kino.