Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

L’important c’est d’aimer von Andrzej Żuławski

In Andrzej Żuławskis erstem Exilfilm „L’important c’est d’aimer“ geht es um den Tod und das Sterben von Liebe und Kunst. Die Schauspielern Nadine (Romy Schneider) muss sich mit illegalen Pornofilmen über Wasser halten. Dort wird sie zufällig von Fotograf Servais (Fabio Testi) entdeckt, der das Leiden der häufig unter Drogen und Schmerzen agierenden Schauspielerinnen einfängt. Er entschließt sich der jungen Frau zu helfen und hilft bei der Finanzierung einer Theaterproduktion von Richard III. Servais bringt Nadine dort unter. Ihrer Liebe steht nur noch der Ehemann von Nadine im Weg: Ein verspielter Cinephiler, der in meisterhaften Tanzschritten von Jacques Dutronc verkörpert wird. Sie habe ihn als Geist kennengelernt. Ein Unbekannter, der bei einer ihrer Engagements am Theater immer in der letzten Reihe gesessen wäre. Stechend blaue Augen und dann hat der Wahnsinn bei Zulawski schon lange begonnen.

L'importan c'est d'aimer

Seine Kamera bewegt sich immer durch Räume hindurch. Sie ist mal hin, mal weg. Sie folgt nicht einzelnen Figuren, sondern meist deren Gefühlen. Ein Moment der Entfremdung und plötzlich fährt die Kamera rückwärts aus der Szene. Ein Moment der Erregung und die Kamera bewegt sich in eine extreme Naheinstellung. Dabei treibt sie sich durch die Räume und Bühnen wie ein Geist auf Kokain. Bei ihm ist jedes Gefühl die blanke Hysterie. Ein Schrei, eine große Geste, ein Schlag, Blut, Sex und Tränen. Es ist als wollten die Charaktere unbedingt spüren, was sie laut gesellschaftlichen Konventionen spüren sollen. Eine Jagd nach den eigentlich abgestorbenen Emotionen. Das betrifft immer zu gleichen Teilen die Liebe und die Kunst. Zulawski jagt damit wie in seinem gesamten Schaffen das Chaos. Obwohl er beispielsweise in „L’amour braque“ oder „Mes nuits sont plus belles que vos jours“ deutlich mehr Irrsinn in seine Welten lässt (oder sind es einfach irrsinnige Welten?), bricht auch hier die Ratio zeitweise völlig aus den Fugen. Dialoge führen oft völlig aneinander vorbei. Jeder lebt in seinem eigenen Gefängnis und die meisten versuchen gar nicht mehr herauszukommen. Die bittere Ironie mit der Dutronc nicht akzeptieren kann, dass ihn seine Frau verlässt, ist ein solches Beispiel. Er ist ein Kind, ein verspielter Clown, der sich selbst Schmerzen zufügen will. So wie sich alle und alles selbst Schmerzen zufügt bei Zulawski. Wie in seinem „Possession“ ist die Liebe das Grauen dieser Erde. Und gleiches gilt für die Kunst. Der Blick wird leer, obwohl er bombardiert wird mit sinnlichen Bildern. Man spürt durch jede der übertriebenen Bewegungen einen verzweifelten Hass.

L'importan c'est d'aimer

Eine gewisse Nähe zu Jean-Luc Godards „Le Mépris“ liegt nicht nur aufgrund einer ähnlichen musikalischen Unterstützung durch Georges Delerue auf der Hand. „L’important c’est d’aimer“ beschäftigt sich auch mit dem Ende des Kinos und mit der Freude und Schuld am Sehen. Als Servais ein Foto von Nadine machen will während sie eine Sexszene dreht, bittet sie ihn mit Tränen darum, es nicht zu tun. Das wäre nicht ihr richtiger Beruf, sie tue es nur, um essen zu können. Der Voyeurismus des Kinos verkehrt sich hier in eine pure Selbstverachtung. Vielleicht sagt der Blick von Dutronc in die Kamera unmittelbar bevor er sich umbringt mehr aus, als alles was man dazu sagen kann. Tote Menschen werden genauso fotografiert wie Frauen beim Sex. Das Kino wird hier zu einem wunderschönen Störfaktor. Und dann die Kunst: Eitelkeit, Geld, Stolz, Besitz, negatives Feedback, kein Feedback, Einsamkeit, Extravaganz, Missverständnisse, Angst. Und dann die Liebe: Impotenz, Betrug, Besitz, Verlust, Vergänglichkeit, Missverständnisse, Einsamkeit, Eitelkeit, Angst. Es ist ein Bild der fehlenden Zukunft von Leidenschaft, das hier droht auf die darum kämpfenden Menschen zu krachen. Nadine will geliebt werden, sie will geliebt werden, sie will geliebt werden, sie will geliebt werden. Immer wieder wiederholen die Schauspieler Sätze, um sie richtig zu spüren, um ihr Verlangen nach eine Mehr und einem Anders zum Ausdruck zu bringen. Man hat das Gefühl, dass Zulawski dreht bis ihm das Blut aus der Nase kommt. Klaus Kinski gibt den emigrierten Schauspieler Zimmer, der Richard III im Stück spielt. Kinski ist hier völlig dabei, als poetischer Teufel, der am Ende im Geld sein Heil findet. In einer Szene schlägt er nachdem er von einer Zeitung für seine Performance kritisiert wurde einen Mann nieder, der seinen neuen Mantel berührt hat. Er schnappt sich dessen zwei weibliche Begleiterinnen, schläft mit ihnen und steht am nächsten Morgen weinend am Fenster, die zwei Frauen nackt in seinem Bett. Die Doppelungen zwischen Theater, Film und Leben haben viel mit jenen von John Cassavetes oder Pedro Almodóvar zu tun.

L'importan c'est d'aimer

Bei aller surrealistischer Wut und impressionistischem Dekadenzstreben gelingt es Zulawski den Zuseher in eine ähnliche Distanz zu versetzen wie die seiner Figuren zu ihrem Leben. Das Weinen von Nadine ist schön, der Selbstmord ist vollendet, ein Lachen im Moment des Sterbens, Horrorfilmmusik und wilde Zooms über nackte Körper in einer Orgie. „L’important c’est d’aimer“ ist wie alles im Werk von Zulawski nicht auf eine reine Schockwirkung aus. Der Schock ist ein anderer: Es ist der Moment indem man begreift, dass man auch weinen und hassen muss, um lieben und lachen zu können. Und dann schreit man die Leinwand an: Keine Antwort.