La danza de la realidad von Alejandro Jodorowsky


Alejandro Jodorowsky kehrt mit seinem „La danza de la realidad“ nach einer langen, langen (23 Jahre) „malickesquen“ Pause zurück zum Filmemachen. Er hat sich viel Zeit genommen, um mit einer Wucht an Bildern, Gefühlen und Stimmungen auf den Zuseher einzuhämmern; ein Farbenmeer zu errichten, das mehr von seinen Affekten lebt, als von der eigentlichen autobiografisch angehauchten Geschichte eines Mannes und seiner Familie und deren politischen Problemen in Chile. Das Auge für Farben und Übergänge, Kontraste und Formen scheint einzigartig. Man könnte ein ganzes Buch über den Einsatz der Farbe Rot im Kino von Jodorowsky schreiben. Mit der Panik Bewegung hat das inzwischen nichts mehr zu tun. Ein weiches Herz schlägt tief unter der Oberfläche dieses Films und man hört es in jeder Sekunde pochen.  
Ganz im Stil eines Federico Fellinis wirkt die Welt von Jodorowsky wie ein Zirkus. Konsequent, dass er auch eine seiner surreal-symbolischen Szenen in einem Zirkus spielen lässt. Fast assoziativ entfaltet sich ein Bildersturm ungebremster Eindrücke: Zweifel, Liebe, die Pest, Betrug, Pferde, grausame Folter und ein Radio, dass in die Toilette gesteckt wird. Dabei stellt sich immer die Frage nach dem Übersinnlichen, nach dem Sakralen und ob man daran glauben kann. An was kann man überhaupt glauben? Die Frau von Jaime, dem Protagonisten des Films (wenn es so etwas gibt) singt ihren kompletten Dialog im Stil einer Operndiva. Der Sohn heißt Alejandro. Sein Vater wird vom Sohn von Alejandro Jodorowsky gespielt und als eine Art gealterter Alter Ego des Sohnes tritt Alejandro Jodorowsky selbst auf. Das ist nicht genug der Verwirrung, denn alles ist ein fließender Übergang; ähnlich einem David Lynch Film muss man sich entweder daran erfreuen zu versuchen sinnhafte Zusammenhänge herzustellen oder sich alleine auf die affektive Wirkung des Gesehenen einlassen, was in „La danza de le realidad“ überraschend emotional und nostalgisch funktioniert. Emotional, weil man die persönliche Prägung des Stoffes auf den Gesichtern der Protagonisten ablesen kann und weil der Film an manchen Stellen ein Gefühl für Familiensinn und Liebe erweckt. Wenn Jaime das Pferd des Diktators vergiftet, dann steckt auch Reue in seiner harten Konsequenz. Im Zentrum steht aber eigentlich der subjektive Blick von Jaimes Sohn auf diese Welt, die so kontrastreich und bunt daherkommt, wie eine Kinderwelt und dennoch von Grausamkeit und Ungerechtigkeit durchzogen ist. Erinnerungen, wie man als Kind seinen Vater gesehen hat, wie man ihn angefasst hat, kommen auf. Ein paradoxes Bild entfaltet sich, wie ein schöner Wandteppich mit einer gewaltvollen Darstellung auf ihm. Pathos ist kein Kritikpunkt, sondern ein Wert im Kino von Alejandro Jodorowsky. Das Leben ist zum Traum geworden. Aber der Traum ist freundlicher, als man es von Jodorowsky gewohnt ist.
Dennoch verläuft er sich manchmal ein wenig. Das liegt zum einen am Look, denn der Film ist anscheinend aus Budget-Gründen auf einer Red Epic gedreht worden, schreit aber eigentlich nach Filmmaterial. Die digitale Künstlichkeit passt nicht zur Natur, die Jodorowsky einfangen will, seine Bilder erreichen auch nicht die Poetik, die ein solcher Bildersturm bei seinen Kollegen Terrence Malick oder David Lynch entfachen würde. Manchmal wirkt das ganze Geschehen etwas arg zusammengekleistert. Das wäre nicht schlimm, wenn  der Film seine avantgardistische Prägung nicht ganz so stark hinter einer Erzählung verbergen würde. Einen Zugang zum Film erhält man nur über die Metaphorik seiner Szenen, eine einzige Ansammlung von scheinbar überzeichneten Augenblicken, sowie die singende Frau, die ihren Mann von der Pest heilt, indem sie in einem langen Take über seinen Körper uriniert. Das ist natürlich auch absurd-komisch, vielleicht ist die Idee, den Film ernst zu nehmen schon eine falsche; aber vielleicht ist lachen auch nur eine der vielen affektiven Reaktionen, die dieser Tanz mit einer sehr eigenwilligen Realität auslöst. „All things are connected in a web of suffering and pleasure.”  Die Augen von Jaime, als er erkennt, was er getan hat, eine schwarzgekleidete Karawane zieht durch die Wüste, ein Esel wird aus Hunger in Stücke gerissen, ein pinker Radio explodiert in der Toilette, ein Kind erfährt, was es heißt nicht mehr respektiert zu werden, ein Nackter tanzt; man rettet ein Leben, um es zu zerstören, Geld entscheidet…manches davon bekommt man kaum mit. 

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