Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Fassbender

Was ist denn eigentlich das? Was ist denn eigentlich das, was Michael Fassbender da gerade im Kino hinlegt, in Shame von seinem genialen Regisseur Steve McQueen. Ein Seelenstriptease ist das, eine Leistung für die Ewigkeit. Präsenz, dass einem über die gut 1,5 Stunden der Atem wegbleibt; ein Feuerwerk der verborgenen Gefühle. Er lässt sie alle mal zum Vorschein kommen. Steve McQueen schneidet einfach nicht, jetzt komm schon: SCHNITT! Nein.Nein, okay…dann Schärfenverlagerung…HALLO?

Er erforscht nicht nur dieses tausendfache Gesicht, diesen undurchschaubaren Mann, sondern McQueen erforscht auch den Rücken, den Nacken, die Haare, sein Geschlecht, die Beine, seine Haut. Alles. Fleischgewordene Leinwand.Und Fassbender macht keine unnatürliche Bewegung. Wenn er sitzt und seiner Schwester zuhört, als sie singt, dann ist das ergreifend und man hat das Gefühl direkt in diesen komplexen Charakter hineinzusehen. Mal fährt er aus sich heraus, dass man fast erschrickt, mal lächelt er echt, mal lächelt er gekonnt. Er genießt sein Leben nicht, er ist leer. Fassbender füllt diese innerliche Todesstarre mit so viel Leben, dass einem der Atem gefrieren kann. Der Film alleine ist ein ästethisches Meisterwerk, der mutig und zielsicher ein schwieriges Thema angeht, der eine Sogwirkung entfaltet, die weit über die bloße Faszination von Sex hinausgeht.Am Ende habe ich zum ersten Mal seit langer Zeit gefühlt für einen Charakter, weil Steve McQueen ein Filmemacher ist, der nicht seinen Charakter, um die Geschichte strikt, sondern eben den Charakter die Geschichte stricken lässt.

Wenn Kritiker von Pornographie sprechen, dann ist das fast zum Weinen…Der Duden meint: sprachliche, bildliche Darstellung sexueller Akte unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs und unter Ausklammerung der psychischen und partnerschaftlichen Aspekte der Sexualität

Irreversible

Doch dieser Film liest im Charakter, wenn er Sex hat, er erzählt seine Geschichte über den Sexualakt, weil er für ihn eben etwas anderes bedeutet wie für den durchschnittlichen Bürger. In einer grandios inszenierten Sexszene mit 2 Frauen, in goldenen Farben auf die Leinwand gebracht, spielt sich bei Fassbender ein Spektrum an Emotionen ab, das sich letztlich als Schlüssel zum Verständnis des ganzen Films erweist. Shame wagt sich vielleicht in ungewohntes Gebiet, aber im Vergleich zu anderen Filmen, die sich diesem Vorwurf gefallen lassen mussten, wie etwa Irreversible (Gaspar Noe ) oder Antichrist (Lars von Trier), ist bei ihm Sex Teil der Geschichte, es ist keine bloße Provokation, es ist nur ein Filmemacher, der sich mehr um Realismus und die Authenzität seines Werkes sorgt, als um Publikumreaktion oder Preisverleihungen. Danke dafür! Und es bleibt allgemein zu sagen, dass ein Filmemacher, der sich dafür entscheidet Sex auch als Sex zu zeigen und nicht als Filmsex, damit immer richtig liegt, wenn er einen Realitätsanspruch hat oder wenn er mehr erzählen will, als nur die Tatsache, dass zwei Menschen miteinander schlafen.

Antichrist

 Der Film hat vielleicht auch ein paar Schwächen und „Längen“ (Unwort!). Aber Fassbender hat sie in diesem Film nicht.Zurzeit ist er (ungleich nichtssagender) in Soderbergh’s Haywire zu sehen. Sein gesamtes Spektrum konnte man aber auch schon in seiner ersten Kollaboration mit Steve McQueen, dem bemerkenswerten Hunger bestaunen. McQueen und Fassbender scheinen in der Lage zu sein gemeinsam über bekannte Grenzen hinauszugehen, sie scheinen eine Vertrauensbasis geschaffen zu haben, die direkt aufs Publikum überspringt. Ist Hunger noch der künstlerisch anspruchsvollere, vielleicht auch bedeutendere Film, der eine unheimlich interessante Bildsprache und Erzählweise hat, so ist Shame schon ein dramaturgisch weitaus klassischerer Vertreter seiner Zunft. Eine weitere absolute Empfehlung für sein Können lieferte Fassbender in dem kleinen, aber herausragenden Film Fish Tank von Andrea Arnold. Im Geldbeutel soll es dem Deutsch-Iren auch nicht fehlen, deshalb war er u.a. in X-Men, Jonah Hex, Inglorious Basterds, 300 oder Jane Eyre zu sehen. A Dangerous Method bin ich mir nicht ganz sicher, wohin man damit so wollte.

Hunger


Demnächst ist er im neuen Alien-Film vom Meister Ridly Scott selbst, Prometheus zu sehen. mein Gefühl sagt mir aber, dass wir bis 2013 warten müssen, bis es wieder den wahren Fassbender gibt, denn dann arbeitet er wieder mit McQueen zusammen und sie machen einen Film über die Sklaverei und Brad Pitt ist dabei. Jedenfalls ein empfehlenswerter Film, nicht zuletzt, weil er zeigt, dass eben noch nicht alle Themen in gleicher Weiße abgehandelt wurden.