Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Crossing Europe: Abus de faiblesse von Catherine Breillat


In ihrem biografischen “Abus de Faiblesse” erzählt die französische Regisseurin Catherine Breillat von der Filmemacherin Maud, die gleich in der ersten Einstellung, unter dem weißen Schimmern ihrer Bettdecke, in glasklaren Bildern eine Hirnblutung erleidet, die sie halbseitig lähmen wird. Maud setzt nach einer wie gewohnt körperlich inszenierten Rehaphase alles daran, ihre Arbeit fortzusetzen. Dabei stößt sie in einer Talkrunde im TV auf den Kriminellen Vilko, für den sie eine Faszination entwickelt. Maud möchte ihn in ihrem nächsten Film haben und sie beginnt eine merkwürdige Beziehung mit dem Mann, der bald beginnt den Reichtum von Maud auszunutzen und die körperlich leidende Filmemacherin auszunehmen. Die Geschichte basiert auf wahren Erlebnissen der Regisseurin mit ihrer eigenen Krankheit und dem Kriminellen Christopher Rocancourt, der sie um 700000 Euro erleichterte und später verurteilt wurde. Breillat hatte 2009 bereits ein Buch über die Ereignisse geschrieben, das sie unter demselben Titel nun verfilmte.
 
Spannend natürlich, wenn in einem Breillat-Film Isabelle Huppert zu sehen ist, denn wie die Regisseurin ist auch die Schauspielerin für ihre Furchtlosigkeit im Umgang mit Körperlichkeit und Welthass bekannt. Außerdem ist es für Breillat eher ungewöhnlich, mit derart bekannten Gesichtern zu drehen. Huppert spielt den körperlichen Schmerz deutlich nachvollziehbarer als das blinde Vertrauen in Vilko, sie wirkt nicht fremd in der Welt von Breillat, aber nimmt dieser auch viel von der moralischen und ästhetischen Anstößigkeit, da man einer großen Schauspielerin wie Huppert immer beim Spielen zu sieht, nie aber beim sein. Dadurch geht auch die mögliche selbstreflexive 
Interpretation des Titels auf das Schaffen der Regisseurin verloren. Die krampfhafte Krümmung des Armes von Maud lässt einen jedoch schwer schlucken. In den zitternden Gliedern von Huppert wird der ganze Körper zum Schauspiel des Schmerzes. Ansonsten ist Breillat weit davon weg Körperlichkeit zum Zentrum von „Abus de faiblesse“ zu machen. Vielmehr versucht sie sich an einem psychologischen Drama einer Frau zwischen Faszination, familiärer Vereinsamung, Krankheit und beruflichem Ehrgeiz.
Bei jedem Anfall von Maud bewegt sich die Kamera leicht um die sich krümmende Frau, fast wie in einer Liebeszene wird hier der körperliche Verfall zu einer ästhetischen Liebkosung. Zusammen mit der klaren Bildsprache, den präzise gesetzten Farbtupfern und der kühlen Beleuchtung ergibt sich so ein Gefängnis, indem man sich als Zuseher nie wohl fühlen kann, immer aber gespannt bleibt. Vilko selbst ist allerdings derart uninteressant, dass sich vieles nicht erspüren lässt oder erklärt. Der französische Rapper Kool Shen spielt ihn schlicht ohne Ausstrahlung. Was fasziniert diese Frau an diesem Mann? Gegen Ende wird sie sagen, dass dies nicht erklärbar sei, was nichts an der Tatsache ändert, dass es auch gefühlsmäßig schwer nachvollziehbar ist.
Am Ende weint Maud dann lange in die Kamera. Den perversen Humor ihrer bisherigen Arbeiten hat Breillat nicht abgeschüttelt, aber sie hat ihn wie hinter einer Glaswand erscheinen lassen.