Ben Affleck-Regisseur


Es gibt eine besondere Qualität im Schaffen des Regisseurs Ben Affleck; diese Qualität liegt weder in den Geschichten, die er erzählt, noch in seiner konventionellen Haltung bezüglich eines straighten Genrekinos. Die Qualität der Filme von Ben Affleck liegt in der Art, wie er Glaubwürdigkeit und Authentizität erzeugt. Fokussierte er sich in seinen ersten beiden Spielfilmen „Gone Baby Gone“ und „The Town“ noch auf seine Heimatstadt Boston, so gelingt ihm das Einfangen einer scheinbar wirklich existierenden Welt derzeit auch in „Argo“. Seine Methoden muten seltsam einfach an: Immer wieder sind dokumentarische (anmutende) Bilder von Gesichtern und Gegenständen in wahnsinnig schnellen Schnittfrequenzen untergebracht. Diese Bilder haben keine Bedeutung jenseits ihrer Bestätigung einer gewissen Realität. Die künstliche Filmmaschine wird bei Affleck in realen Umgebungen verortet. So sind in „Argo“ immer wieder iranische Menschen zu sehen, am Rande des Geschehens. Die Nahaufnahmen ihrer Gesichter können als subjektiver Einsatz der Kamera verstanden werden, praktisch wie die zerstückelten Eindrücke, die man als Fremder in einer hektischen Umgebung hat. Allerdings verwendet der Regisseur dieses Stilmittel auch in seinen beiden Boston-Filmen, die eben kein Fremdsein und keine hektische Umgebung erzählen. Vielmehr wird über dieses Stilmittel ein Gefühl von Echtheit erzeugt. In „Gone Baby Gone“ erwacht so eine Nachbarschaft zum Leben, in „The Town“ eine ganze Stadt. In „Argo“ wird dieses Spiel gewissermaßen auf die Spitze getrieben. Fast dokumentarisch, einem revolutionären Aufklärungsfilm ähnelnd beschreibt er die Geschichte. Im Abspann zeigt er nicht nur (wie üblich) die realen Personen im Vergleich zu ihren Schauspieler, sondern auch reale Orte, reale Situationen, die man so während des Films zu sehen bekam. „Seht her, wie echt wir sind.“ 
Handkamera, schnelles Schneiden, kaum Zeit zu atmen. Affleck gibt seinen Filmen ein Leben jenseits der stereotypen Drehbücher. Seine Herangehensweise ist intelligent, aufgeklärt und sehr vorsichtig. Ähnlich wie sein Co-Produzent George Clooney gelingt ihm so ein amerikanisches Kino, welches sich nicht scheut „amerikanisch“ zu erzählen, aber dennoch nicht in Klischees verfällt. Man spürt zumindest eine andere Seite. Die Umgebung existiert in einer Weise, die zumindest als mehr anmutet denn als pure Kulisse. Auffallend ist dann, wie in allen drei Filmen klassischste Genremuster verwendet werden, um Unterhaltung und Spannung zu kreieren (es sind förmliche Parallelmontage-Orgien, die einem begegnen und die immer nur ein Ziel haben: Suspense). Das ist die Stärke und ist zugleich die Schwäche dieses Kinos. Persönliche, realistische, politische Elemente werden immer innerhalb eines schmalen Rahmens ausgearbeitet. Es gibt vorgegebene Muster innerhalb derer sich Ben Affleck bewegt. Dabei spielt das amerikanische Kino seine globale Gültigkeit, seinen Unterhaltungsfaktor und seine Neigung zu Messages und Heldentum aus, vergisst aber oft das (künstlerische) Potenzial hinter den Geschichten. Das ist nicht neu und das ist kein Grund sich diese Filme nicht anzusehen. Es ist dennoch schön, wenn mit Ben Affleck ein Regisseur auftaucht, der die kleinen Lücken, die sich innerhalb dieser Konventionen auftun nutzt, um intelligentes Kino zu machen. Persönliche Elemente waren vor allem in seinem Debüt „Gone Baby Gone“ zu finden, der sich gleichermaßen als ein Abgesang und Liebeslied auf seine Heimatstadt Boston lesen ließ.    „The Town“ war gewissermaßen eine Fortsetzung der Thematiken, die man mit dem Genrekino in Boston assoziiert: Loyalität, Gewalt, Liebe und urbane Mythologie. Seine „Herzschmerz-Szenen“ wirken (insbesondere, wenn er selbst sie verkörpert) seltsam steif in dieser Welt. Ob beabsichtigt oder nicht drücken sie eine innere Abgestorbenheit seiner Charaktere aus. Es geht immer um moralische Vorstellungen, um Menschen, die nicht reden möchten. Es geht um Professionalität. Was bei „Argo“ gefunden wurde, ist eine Freude am Filmemachen und Freude am Leben. Der zeitgeschichtliche Hintergrund der Geschichte hat Affleck von seiner bemühten Ernsthaftigkeit befreit. Der Film ist ernst, es gibt ernste Charaktere, keine Frage. Aber mit einem Augenzwinkern kann sich „Argo“ von Zeit zu Zeit aus den Fängen der Genrekonventionen befreien. 
Gone Baby Gone:
The Town: 
Argo:
 

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