To open the floodgates (in abundance of thought)

To write is to start anew. But if we find ourselves stuck in this procedure, or if something within us decides to halt us – for whatever reason – is it not more sensible to ‘’put our heads in the pillow?’’ Where we leave our less-than-pleasant thoughts the moment we lift our skulls?

By opening with such a saying, one cannot do otherwise than to act according to what it wants to incite. Thus I will.

Recently, I saw a largely animated film which laboured more than four years to restore the value of the ‘’actual’’ images used near the end. A film that actually might have caught thinkers like Baudrillard by surprise. But despite this incredible achievement, I tend to see this achievement as its sole one. Consequently, registering it as a political film. Which is a compliment, sure, but films that accomplish their political ‘’set of objectives’’, almost always cannot help doing so much more at the same time. Something which eludes some of its viewers, since we all have the natural tendency to categorize things, ‘’political films’’ form no exception to this (not insolvable) problem.

The same thing applies to writing about films politically, millitantly. In the piece I initially wrote, but which I replaced by the one you are currently reading, I expressed my decision to stop writing about the combination of male directors and cinema in a didactic way to such an extend that it suffocated almost all of its proofreaders. Allow me to quote one paragraph:

‘’Maybe I need to see this page as a space where I can re-think what is needed to write differently and more respectfully about the unique and particular aesthetics brought forth by these genders that carry with them such wholly different sensibilities.  But there are more questions that demand to be asked. How can I establish a critical discourse? Firstly, by simply writing. Alot of the upcoming pieces will possibly be bad, flimsy and not thorough. But they will build and WORK towards something which I cannot yet foresee or predict. It is necessary. One does not simply break through a wall in just one go. Maybe neither in a hundred or thousand. But that does not concern me. I shall proceed.’’

How to grapple with this? How to proceed in the furtherance of an idea without losing the ability to write texts that contain a mixture of feelings? Of self-doubt and uninterrupted consideration? Texts that allow themselves to snort and snivel? Nearly, but thanks to the rightful interference of the editor, I managed to prevent a come-into-being of a mean attitude towards anyone who read the (unpublished) article in question. We as men have been angry and hostile for way too long, going way back, whereas now it is up to us to be, instead: deeply vulnerable, transparent, and full of doubt.

Because, after all, there is a reason why we write the things we write, in such and such a way. That much is clear. Our initial intentions contain plenty of (mostly) raw and intangible emotions. But that is, as with any impulsive action, no more than usual. A dear friend of mine once told me: ‘’A ‘’but’’, is like a reverse gear in the car.’’ Which is a saying that (ought to?) appeal to youngsters such as myself. Not necessarily meaning that it should be seen as the only possible attitude. And, also not uninmportant, definitely not how my friend thought it would be interpreted. One should know when one is on the race track, and when one is not. (or if one should be there at all, which is something else altogether)

My apologies for not providing you with a very cinema-related text, but I deem a declaration of intent indispensible before being able to allow to proceeding into a direction where one tries to establish something in which the ‘’thought-attempter’’ in question is not very experienced.

In the article following this one, I hope to elucidate and free a film from its genre plus framework in which it has been, perhaps unintentionally, barred. Until then.

The Pulp vs. The Throne, Carrie Lorig, 2015

The Pulp vs. The Throne, Carrie Lorig, 2015

 

 

 

I‘m not: Angel von Ernst Lubitsch

Hinter den Türen, vor den Türen, ein Lächeln, eine Träne: Ich bin Angel, ich bin nicht Angel. Ernst Lubitsch praktiziert in seinem Angel ein derart konsequentes Aufrechthalten von Fassaden, von Scheinwelten, das man manchmal ins Zweifeln gerät, obwohl man die Wahrheit eigentlich kennt. Man hat gesehen, was passiert ist, aber trotzdem wird einem glaubwürdig ins Gesicht gelogen. Es ist in diesem Sinn ein unheimlich vielschichtiges Hinterfragen der Evidenz von Bildern oder anders: Eine Aufforderung genau hinzusehen.

Marlene Dietrich als Angel/Maria Barker/Mrs Brown, sie beginnt so, dass sie auch uns täuscht: Auf der Flucht, in Paris, für ein Abenteuer in einem Von Stroheim-Salon, hohe Gesellschaft, dann geht sie durch eine dieser Lubitsch Türen, die alles verstecken und alles entblößen und sie trifft ihn: Melvyn Douglas, Lubitsch sieht ihn gerne in Paris. Es ist im Salon einer russischen Fürstin, eine Meisterin der Fassaden, Lubitsch fährt vorbei an Fenstern, denen wir nicht trauen können, es sind zu viele, gestellte Höflichkeit und Hochkultur als Fassade für eine Partnerbörse: Das Abenteuer in Paris, eine unverhoffte, unschuldige Begegnung als Arrangement. Einige Szenen zärtlicher Harmonie, Nähe, Hoffnung, der Beginn einer Geschichte. Ihr Ende? Eine Illusion. Angel öffnet sich nicht und sie erntet, was man dafür erntet: Liebe. Mit Douglas ist sie immer links im Bild. Später mit ihrem Ehegatten wechselt sie oft nach rechts.

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Es geht zurück nach London, obwohl wir dort noch nicht waren. Angel verschwindet aus Paris. Sie bleibt unerreichbar. Die Blumen, die Douglas ihr schenken wollte, liegen auf dem Boden im Park. Die Verkäuferin sammelt sie wieder ein und richtet sie fein säuberlich neben die anderen Blumen in ihrer Kiste. Spuren werden verwischt. Nichts ist passiert. Man verkauft die gleichen Blumen an andere Liebende. Angel, die niemals mehr Angel sein darf, lebt die perfekte Ehe. man muss blinzeln, um sich zu erinnern, was man am Beginn des Films gesehen hat. Einmal sagt Angel: „When the beginning is so beautiful, I wonder if the end matters“. Die Fassade könnte das Ende sein oder der Anfang. Wir werden es bis zum Ende nicht wissen und wir werden es auch nach dem Ende nicht wissen. Auch ihre Ehe mit Sir Frederick (Herbert Marshall) kennt einige Fassaden. Die Fassade der Öffentlichkeit: Meisterlich vollführt in der Oper, Würde, Lächeln, ein Bekannter sagt, dass sie das ideale Ehepaar wären. Sir Frederick versteckt sämtliche Gefühle zu Gunsten des Scheins einer Liebe. Er lächelt sie weg. Alles an ihm versteckt. Eine zweite Fassade in der Erinnerung an Österreich. Eine Nacht im Hotel, ein Dialog, vielleicht der wahre Augenblick einer Liebe. Aber Sir Frederick kämpft gegen das Vergessen. Er geht durch Türen, er schließt sie hinter sich und erwartet Anrufe. Lubitsch verharrt immer wieder für eine Sekunde auf diesen Türen. Er zeigt uns drei Dinge:

1. Die Fassade selbst: Die Überzeugung im Gesicht von Angel, das sichere Lächeln einer gestellten Zärtlichkeit, die man mit echter Zärtlichkeit verwechseln kann.

2. Den Blick hinter die Fassade. Kurzes Aufflackern eines wahren Lichts. Angel beugt sich in einem Moment der Nähe zu ihrem Mann. Aber dieser steht auf und widmet sich den Geschäften. Später in einer der grandiosen Szenen der Filmgeschichte ein Blick in die Küche. Es kam was kommen musste: Melvyn Douglas, dem man sich nur mit seinem Schauspielernamen nähern kann, ist nach London gekommen. Er isst mit dem Ehepaar. Die Fassade bleibt zunächst aufrecht, doch in die Küche kommen die Teller zurück. Angel und Douglas haben ihren nicht angerührt. Das Personal fragt sich, ob etwas mit dem Fleisch nicht stimmt. Doch der von Sir Frederick ist leer. Im Appetit und seinem Fehlen offenbart sich was nötig ist, um die Fassade aufrecht zu erhalten.

3. Das Medium der Fassade: Türen. Die Figuren gehen hindurch, sie schließen die Türen. Die Perfektion dieser öffentlichen Intimität wird durch die Beiläufigkeit dieser Türen unterstrichen. Und doch existieren sie. Am Ende öffnet sich eine Tür, ein neues Abenteuer oder folgt sogleich der Gegenschnitt und die Tür schließt sich?

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Douglas konfrontiert nach dem Essen Angel. Sie leugnet, dass sie Angel ist. Ich bin nicht Angel, sagt sie. Er akzeptiert ihr Spiel. Er hält die Fassade. Sie halten sie beide vor Sir Frederick. Doch sobald dieser durch die Tür verschwindet, bricht die Fassade zusammen.  Früher im Film empfängt die Fürstin einen Anruf während Angel mit ihr im Zimmer ist. Sie will den Anruf zunächst abwimmeln, aber Angel bietet ihr an, das Zimmer zu verlassen. Die Fürstin sagt: „You‘re so understanding“, und würdigt damit den Respekt vor der Tür. Die Tür hat allerdings zwei Seiten und Lubitsch schneidet sogleich auf die andere Seite. Dort, wo das Abenteuer beginnt. Erhält die Tür eine Privatsphäre oder verschleiert sie eine Wahrheit? Wenn Douglas Angel ansprichst und sie vor ihm leugnet, dass sie Angel ist, leugnet sie es nicht wirklich. Sie sagt ihm: Es ist eine Fassade. Akzeptiere sie.

Schließlich erfährt Sir Frederick vom Paris-Besuch seiner Frau. Er lässt sich nichts anmerken und setzt sich in den Salon der Fürstin. Doch diese ist die Meisterin der Fassade. Er dringt nicht zu ihr hindurch, sie lässt sich nichts anmerken. Das kann man sehen in diesem Film: Ehe heißt sich nichts anmerken zu lassen, Fassaden funktionieren in der Gleichgültigkeit einer Reaktion. Wenn die Fassaden durchbrochen werden, dann nie in einem Drama, sondern den Regeln der Fassade folgend: Höflichkeit. Angel tritt in den Raum zu ihrem Mann: Eine Überraschung sei es, dass man sich hier treffen würde. Sir Frederick konfrontiert sie mit der Wahrheit. Angel sagt, dass sie nicht Angel sei. Sie würden sich nur sehr ähnlich sehen. Sie bietet ihrem Mann ein Spiel an, das er eigentlich bereits die ganze Zeit gespielt hat. Er könne durch die Tür gehen, um sich zu überzeugen, dass sie es sei oder nicht sei. Dann würde sie ihn verlassen. Oder er könne ihr glauben und mit dieser Unsicherheit leben. Eine Unsicherheit, die sich vielleicht in eine Liebe verwandeln würde, die in dieser Ehe nur mehr als Erinnerung existiert. Sir Frederick geht durch die Tür.

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Aber so wie man die Blumen verschiedenen Liebenden schenken kann, kehrt er zurück durch die Tür und nimmt Angel mit in die Erinnerung, nach Österreich, eine Reise, die dahin führt, wo Angel wohl die ganze Zeit hinwollte. Es könnte aber auch sein, dass sie nur eine Fassade aufrechterhält, die eigentlich gar nicht mehr vorhanden ist. Dann wird es wirklich grausam. Die Verabschiedung von Douglas liegt wie ein Versprechen im Off. Ich bin Angel, ich bin nicht Angel. Der verspielteste Gefängnisfilm aller Zeiten.