Dossier Beckermann: Am Anfang der Krieg (Jenseits des Krieges)

Jenseits des Krieges von Ruth Beckermann

Jenseits des Krieges ist in der offiziellen Filmographie der österreichischen Filmemacherin Ruth Beckermann als ihr siebenter Film angeführt. Zwanzig Jahre lang war Beckermann zu diesem Zeitpunkt bereits dabei die soziale und politische Geschichte Österreichs zu erforschen. Grob lässt sich Beckermanns Werk in drei Interessensfelder gliedern, die ineinander fließen: Judentum, Politik, Familie. Der Zweite Weltkrieg als einschneidendes Ereignis des 20. Jahrhunderts bringt diese drei Bereiche zusammen, weshalb er Beckermann in vielen Filmen als Ausgangspunkt dient. Ihre eigene (jüdische) Identität, ihre Familiengeschichte ist eng mit dem Krieg und dem Holocaust verknüpft, gleichzeitig ist Politik, und das machen ihre Filme deutlich, als gesellschaftliche Praxis bis heute stark durch die NS-Zeit, den Krieg und ihre Folgen geprägt. Beckermann interessiert sich dabei weniger für historische Quellenforschung, als für die Interaktion von Damals und Heute. Die historische Analyse wird immer an die Gegenwart rückgebunden, dementsprechend oft handeln ihre Filme von Rückkehr und Vergangenheitsbewältigung, sowie von Projektionen von Geschichtsverläufen auf das aktuelle politische Geschehen.

Dieser Text steht am Anfang einer geplanten Reihe zum Werk von Ruth Beckermann. Womöglich wäre es angebrachter gewesen dieses Projekt mit einem Text zu Die papierne Brücke zu beginnen, Beckermanns filmischer Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte; oder aber chronologisch vorzugehen und ihre früheste Arbeit Arena besetzt an den Anfang zu stellen; ihr vielleicht poetischster Film (und einer meiner persönlichen Favoriten) Wien retour versammelt in den Erzählungen des Juden, Sozialisten und Rückkehrers Franz West mehrere zentrale Motive ihres Filmschaffens und hätte sich ebenfalls als Einstieg angeboten. Mit Jenseits des Krieges habe ich jedoch einen Film gewählt, der weniger paradigmatisch ist, einen Film, der sehr kleinteilig die Geschichte und die Volksseele Österreichs zu rekonstruieren versucht, und der nicht zuletzt vor allem durch seine formale Reduktion und Kompromisslosigkeit hervorsticht. Ausgehend von diesem mikrokosmischen Film möchte ich mich in den nächsten Wochen und Monaten weiter mit dem Werk Ruth Beckermanns beschäftigen, die für mich in ihrer filmischen Haltung, in der Klarheit ihrer Argumentationsführung und in der Konsequenz ihrer Werke zu den zentralen Gestalten der österreichischen Filmwelt zählt.

Jenseits des Krieges von Ruth Beckermann

„Da sind sie wieder, die Männer, die ich vor zehn Jahren während des Waldheim-Wahlkampfes drehte. Ich kann sie nicht mehr hören. Ich will ihnen nicht das Wort geben.“

1995 findet in Wien eine Ausstellung zu den Kriegsverbrechen der Wehrmacht statt. Mit einiger Verspätung hatte in den Achtzigern, befeuert durch die Waldheim-Affäre, die Aufarbeitung der NS-Zeit in Österreich Fahrt aufgenommen. Ruth Beckermann war damals schon als Filmemacherin aktiv, hatte sich zur Zeit der Proteste gegen Waldheim unter die Demonstranten begeben und Material gefilmt, dass sie zum Teil für Die papierne Brücke verwendete. Diese Aufnahmen zeigen Ewiggestrige, die sich gegen eine Aufarbeitung der Vergangenheit und gegen jede Form von Kritik an Waldheim stellen – der Schluss liegt nahe, dass sie selbst etwas zu verbergen haben. Knapp zehn Jahre später bietet die obengenannte Ausstellung Gelegenheit sich eingehender mit dem Verhältnis der Österreicher zu ihrer Vergangenheit zu beschäftigen. Die papierne Brücke hat gezeigt, dass der Antisemitismus in Österreich weiterhin lodert und dass eine umfassende Entnazifizierung (wenn überhaupt) nur auf dem Papier stattgefunden hat. In Jenseits des Krieges geht Beckermann einen Schritt weiter, konfrontiert noch einmal „die Männer, die ich vor zehn Jahren während des Waldheim-Walkampfes drehte“ und befragt sie nach ihren Erfahrungen, versucht zu erörtern, weshalb eine Aufarbeitung der Vergangenheit nicht in deren Interesse liegt.

Spartanisch macht sich Beckermann ans Werk. In den Ausstellungsräumen selbst trifft sie auf die Besucher, sucht nach Zeitzeugen und befragt sie vor laufender Kamera. Nie entfernt sich die Kamera von den Menschen, ein paar Mal schwenkt sie zwischen unterschiedlichen Gesprächspartnern, die Ausstellungsobjekte sieht man nur fragmentarisch und unscharf im Hintergrund. Die gealterten, eingefallenen Gesichter der Weltkriegsveteranen erscheinen meist in Großaufnahmen, wie man sie aus Fernsehreportagen kennt; das grelle Museumslicht und das harte Weiß der Wände lässt die Bilder oftmals schlampig und verschwommen wirken; auf technische Brillanz wird hier bewusst zugunsten von Unmittelbarkeit verzichtet. Über ein Monat drehte Beckermann im Herbst 1995 in den Ausstellungsräumen, für den Film konzentrierte sie ihr Material auf knapp zwei Stunden, die ganz ohne Übergänge, ohne (Ab-)Lenkung und ohne Kommentar auskommen. Der Film ist ein kompromissloses Kondensat von Bitterkeit, Trauer und Ambivalenz und dabei vielschichtiger und weniger einseitig, als man das angesichts der oben zitierten Produktionsnotiz vermuten würde. Neben den Alt-Nazis und Apologeten der Wehrmacht trifft Beckermann auch auf jüdische Kriegsopfer, auf ehemalige Soldaten, die sich ihrer Mitschuld sehr wohl bewusst sind und auf solche, die sich nach fünfzig Jahren mit Grauen fragen, wie es damals dazu kommen konnte, und wie man das verhindern hätte können, aber glaubhaft vermitteln, dass ihnen bis heute die Antwort auf diese Fragen fehlt. Wenn es in Die papierne Brücke noch so schien, als wäre die Welt einfach in unverbesserliche Ewiggestrige und reuige Aufgeklärte aufzuteilen, so zeichnet Jenseits des Krieges ein ganz anderes Bild.

Jenseits des Krieges von Ruth Beckermann

„Zwischen Verhör und Mitleid. Ich muss mir den kalten Blick bewahren. Wie filmt man Feinde?“

Formal-ästhetisch und dramaturgisch macht Beckermann keinen Unterschied zwischen den Rechtfertigungen der Einen und den Selbstvorwürfen der Anderen. Auch deshalb lassen sich manche dieser Interviews nur schwer einer der beiden Kategorien zuordnen. Im ersten Moment klingt manches wie ein Schuldgeständnis und endet in einer Beteuerung nichts gewusst und gesehen zu haben. Diese altbekannten Ausreden erregen die Gemüter, nicht nur des Zusehers, sondern auch die der anderen Besucher. Vor allem die Ausflüchte auf die Verbrechen der Roten Armee, die gegen jene der Deutschen Wehrmacht aufgewogen werden, und die Beteuerungen des eigenen Unwissens stoßen anderen Besuchern oft sauer auf, die dazwischen gehen und Beckermanns Gesprächspartner ihrerseits zur Rede stellen. Die Interviews entwickeln sich dann zu Streitgesprächen und erzählen von einer tiefen Zerrissenheit im Inneren der österreichischen Gesellschaft. In diesen Momenten wird am stärksten deutlich, dass es eine mehrheitsfähige Masse gibt, die sich nicht mit Verdrängung und Verweigerung zufrieden gibt. In diesen Momenten schöpft man Hoffnung, dass kritische Reflexion eine Chance hat und große Teile der Bevölkerung ihr langes, peinigendes Schweigen beenden wollen. Oft, so scheint es, kommt mit Beckermann ins Gespräch, wer sich nach Katharsis sehnt – die Filmemacherin als Therapeutin –, zum Teil geht es ihren Gesprächspartnern lediglich um Selbstinszenierung. Es ist dennoch so wichtig, dass sie einen objektiven, kalten Blick bewahrt, dass sie verständnisvoll zuhört, wenn aufgebrachte Töchter das Ansehen ihrer Väter beschmutzt sehen, wenn alte Männer unter Tränen von ihren grausamen Erfahrungen berichten, oder wenn ehemalige Frontsoldaten alle Verantwortung auf die Hinterlandstruppen abschieben. Sie alle tragen dazu bei, ein Mosaik aus individuellen Erzählungen zusammenzusetzen: offensichtlich war nicht die Mehrheit der Wehrmachtssoldaten an Kriegsverbrechen aktiv beteiligt; offensichtlich ist es eher unwahrscheinlich, dass diese Kriegsverbrechen von den Soldaten nicht bemerkt wurden; offensichtlich können fünfzig Jahre Selbstbetrug und Verdrängung dazu führen, dass man sich tatsächlich keiner Schuld bewusst ist; offensichtlich ist die Überwindung des Kollektivtraumas NS-Zeit noch weit entfernt.

Pabst-Retro: There Will Be Blood: A Modern Hero

In A Modern Hero zeichnet Georg Wilhelm Pabst auf den ersten Blick eine klassische amerikanische Aufstiegs- und Fall-Geschichte. Interessiert ist er aber eigentlich an dem, was sie antreibt: Der innere Zerfall durch Ehrgeiz. Es ist sein einziger amerikanischer Film geblieben. Wenn ich bisher nicht näher auf die problematischen biographischen Hintergründe von Pabst eingegangen bin, dann nicht weil ich sie ignorieren möchte, sondern weil ich mich der Politik aus Sicht der Ästhetik nähern möchte. Es ist erstaunlich, dass sich in A Modern Hero keines jener „deutschen“ Bilder findet, die noch wenige Jahre früher zum Beispiel seinen Die weiße Hölle vom Piz Palü bewegten. Es ist die (technische) Anpassungsfähigkeit, die erstaunlich bis abstoßend wirkt bei Pabst. Sein erster und einziger Hollywoodfilm ist stilistisch völlig dem amerikanischen Kino verschrieben. Zwar gibt es inhaltliche Auffälligkeiten mit europäischen Bezügen, aber darüber hinaus verschwindet die Seele des Filmemachers hier völlig. Seine Rückkehr ins Nazideutschland Ende der 1930er Jahre, seine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit Goebbels und seine ausbleibende Reue im Anschluss daran bleiben unverständlich, wenn man heute mit den linken Sentiments seiner früheren Arbeiten konfrontiert wird. Die Geschichten, die dazu geführt haben sollen, sind letztlich ohne Bedeutung.

A Modern Hero ist am Ende trotz seiner formalistischen Angepasstheit kein amerikanischer Film der Depressionszeit, er ist vielmehr ein Film über Amerika in der Depressionszeit (und darüber hinaus), den man im moderneren Kino vielleicht mit Dogville von Lars von Trier vergleichen kann.

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Ein Zirkusartist gespielt mit anbiedernder, schmeichelnder und betörender Körperlichkeit von Richard Barthelmess (dem Chinesen aus Broken Blossoms ) möchte sein, in seinen Augen, niederes Dasein verlassen. Er klettert mit unbedingter Konsequenz die Karriereleiter nach oben und wird zu einem erfolgreichen Unternehmer. Alles am Körper dieser Figur ist der eleganten Unmöglichkeit des destruktiven Ehrgeizes untergeordnet. Man könnte es wohl mit einer Mischung aus gesenktem Haupt und funkelnden Augen beschreiben, die für Sekunden die Welt versprechen, aber letztlich nur in sich selbst verkrampfen. Parallel zu seinen beruflichen Errungenschaften und in einer Wechselwirkung, die ihm gleichzeitig Aufstiege und Bekanntschaften ermöglicht, nimmt er sich auf jeder Stufe dieser Leiter eine neue Frau. Er bleibt ein Artist. Bis eine Stufe bricht und mit ihr alles andere auch in einem Leben, das den Boden verlassen hat. Aber, so meint Pabst, es gibt ja noch die Mutter, die der Film als Figur und Idee liebt wie nichts anderes. Allgemein liegt ein aus heutiger Sicht merkwürdig erscheinender Fokus auf der Bedeutung von Blut als DNA. Figuren scheinen nur zu dem werden zu können, was ihnen durch die Adern fließt. Der junge Artist hat den Ehrgeiz seines erfolgreichen Vaters geerbt, aber auch das Durchhaltevermögen seiner Mutter. Sein eigener Sohn strebt ihm nach und wie er selbst muss er erkennen, dass im Aufstreben ein Abgrund wartet. Das ist streng genommen eine Umkehr des amerikanischen Traums. In der Unmöglichkeit des Ausbruchs findet sich dann Liebe und Durchhaltevermögen, die in der verzeihenden Mutterfigur gipfeln.

Das ganze wird in unsichtbarer, handwerklicher Perfektion gefilmt. Das klingt fast als wäre es nicht hier und da mit virtuoser Brillanz gesegnet, die sich vor allem in einer enormen Präsenz der Körper dieses amerikanischen Schauspieles wieder findet. Man spürt den Druck und die Ambivalenz, die über dem Geschehen lastet. Genau diese Präsenz wird leider etwas durchkreuzt von der extremen Kürze des Films (71 Minuten), die zwar erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass Pabst es schafft ohne einen Anflug von Hektik eine epische Geschichte zu erzählen, der aber dennoch das Gefühl des Alterns abgeht, dass wir in harten Schnitten hinnehmen müssen. Es ist dies eine Sache, der ich immer wieder – vor allem in amerikanischen Filmen – begegne. Die Idee des Zeitsprungs, der eine Idee bleibt. Es gibt eine sehr schöne Aussage von Quentin Tarantino, als der über einen anderen zerfressenen Ehrgeizigen des amerikanischen Kinos spricht, nämlich Daniel Plainview gespielt von Daniel Day-Lewis in There Will Be Blood von Paul Thomas Anderson. Tarantino spricht über den Anfang des Films und wie Plainview mit gebrochenem Bein durch den Staub robbt. Er sagt, dass es natürlich erstaunlich sei, dass dieser Mann alleine eine derartige Strecke mit einer derartigen Verletzung zurücklegen könne. aber alles, was Anderson bereits gezeigt habe von diesem Mann, alles was man in seinem Körper lesen könne, würde deutlich machen, dass wir alle wissen, dass dieser Mann diesen Weg zurücklegen kann. Und damit hat er Recht. Es geht hierbei um Notwendigkeit. Man muss nur zeigen, was man zeigen muss. Pabst ist ein Meister darin wie zum Beispiel sein grandioser Die Dreigroschenoper zeigt. In A Modern Hero jedoch scheint etwas zu fehlen. Vielleicht ist der amerikanische Traum zu leicht erreicht, vielleicht ist die Mutter nicht weit genug entfernt, um wieder nah zu sein. Vielleicht fehlt das Blut.

Pabst-Retro: Hybrid-Fever: Le Drame de Shanghai

Das Fieber, das westliche Regisseure mit ihren Blicken auf asiatische Metropolen und Stätten oft zu befallen scheint, ist voller Lust und Gefahr. Undurchschaubare Gesichter, die wir nicht kennen, Unbekanntes, der Abgrund fehlender Kommunikation. Eigentlich sind solche Inszenierungen heute nicht zuletzt aus politischer Sicht kaum mehr tragbar, aber es geht auch etwas daran verloren. Die Überhöhung und Fiktionalisierung des Blicks von Hollywood oder anderen westlichen Produktionen auf das Fremde ist mit problematischen Vorurteilen gespickt, sie ist aber auch voller Sehnsucht und Sensibilität. Heute haben wir eine Tendenz bei großen Produktionen gar keinen Blick mehr zu haben, also das Fremde einfach zu ignorieren statt zu versuchen ihm eine Materialität und/oder Stimme zu geben. Wenn jemand einen subjektiven Blick auf etwas Fremdes wirft, dann darf sich dieses Fremde natürlich als fremd offenbaren. Wichtig ist dann nur, dass der Blick als subjektiv reflektiert wird. Ansonsten scheint es mir essentiell, eine Anstrengung zu unternehmen. Die Bequemlichkeit einer Subjektivität muss hinterfragt werden. Nicht, weil man einen objektiven Film machen könnte, sondern weil man in die Subjektivität einen Zweifel legen muss. Man kann dem Fremden eine Stimme geben, man kann sich interessieren, zuhören, vielleicht darf erst dann Fiktion entstehen.

In Le Drame de Shanghai der bei der Retro im Filmarchiv Austria ohne Untertitel gezeigt wurde, findet sich die Tendenz des Fiebers genauso stark wie eine gegenläufige, die beständig die Handlung in einen geschichtlichen Kontext packen will. Dabei interessiert sich Pabst in dieser Adaption eines Romans von Oscar Paul Gilbert weniger für das Noir-Potenzial seiner mysteriösen Handlung als für eine Schicksalssinfonie zwischen Tochter und Mutter und dem Ziel diese Hölle zu verlassen. Doch die Schicksalssinfonie wird zu einem Echo und darin liegt die große Kraft des Films. Pabst macht hier ein Drama in Shanghai und ein Shanghai-Drama und sie gehen zusammen. Im Hinblick auf das moderne Kino, das sich solchen Orten nähert, wie jenes von Jia Zhang-ke oder jenes von João Rui Guerra da Mata & João Pedro Rodrigues macht Pabst hier einen großartigen Vorläufer, dessen Fiktionalität sich mehr und mehr auflöst bis sie in einem Messerstoß aus dem Film verschwindet, als hätte es sie nie gegeben. Die Emotion einer Identifikation wird von der Unaufhaltsamkeit einer Masse, die Geschichte repräsentiert, geschluckt.

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Das Gefühl des Eingesperrtseins durchdringt die ersten Filme der Pabst-Retrospektive mit Konstanz, es ist das Gefühl des machtlosen Wartens. Erzählt wird von Kay Murphy einer russischen Emigrantin und Sängerin und ihrer Tochter, die mit nervender Naivität in diese düstere Welt kommt, um sogleich wieder gehen zu wollen. Etwas hat sich verändert in Shanghai. Hinter den Kulissen tummeln sich Chinesen mit tödlichen Spritzen, kriminelle Organisationen, die sich mit schwarzen Drachen schmücken, lenken die Geschicke und letztlich auch das Schicksal der Sängerin. Manchmal fährt Pabst mit der Kamera durch die Menschen, die dem Gesang lauschen, manchmal brechen Unschärfen am Rand der Bilder die Gesichter der Massen auf. Diese Fahrten schaffen es allerdings nicht immer die etwas lieblosen Sets mit Gefühlen zu füllen. Dennoch sind es unruhige, bedrohliche Stimmungen, die sich etablieren und die spannenderweise in einem französischen Gesicht ihren ambivalenten Höhepunkt erreichen. Louis Jouvet (Entre onze heures et minuit ist er immer am schönsten) mit einer Narbe auf der Stirn, das Vertrauen einer Rasierklänge erweckend. Ansonsten lockert Pabst das geschehen über eine Howard Hawks-artige Journalismusgeschichte auf, die egal in welcher Situation möglichst unberührt von alledem abläuft. Was schon im Titel klar ist: Es ist ein Drama, keine Komödie und Pabst hält sich an diese Vorgaben aus dem Theater.

Nach und nach werden immer mehr Found Footage Aufnahmen aus China im Film integriert. Der Freiheitskampf, Menschen auf den Straßen, der Chinesische Bürgerkrieg in den 1930ern. Pabst vermischt virtuos melodramatische und journalistische Element bis alles zu einer einzelnen Bewegung, jener des Dramas wird. Was zunächst wie das große Drama inszeniert wurde in Nahaufnahmen der Augen von Christiane Mardayn, der Zusammenführung unterschiedlicher Linien zu einer Katastrophe, erscheint plötzlich trivial. Es ist nur, was man erzählen kann, nicht was wirklich war. Ein erstaunlich moderner Film.

Pabst-Retro: Stop n‘ Go: Der Letzte Akt

In den kommenden Tagen und Wochen findet im Filmarchiv Austria im Metrokino eine Retrospektive zum Schaffen von Georg Wilhelm Pabst statt. Hier sollen möglichst viele kürzere Texte über Filme und Motive seines Schaffens entstehen, die die Schau begleiten und aus ihr einen frischen Eindruck eines großen deutschen Filmemachers gewinnen wollen.

Wie zeigt man den Tod von Hitler? Um diese Frage kreist sich Pabsts Der letzte Akt, der eine frühere und in vieler Hinsicht bessere Variante von Oliver Hirschbiegels Der Untergang darstellt und dennoch untragbar scheint. Wie in der moderneren Variante spielt ein Volksschauspieler Hitler, Albin Skoda. Vielleicht ein logischer Schritt, vielleicht liegt schon hier eine Überhöhung. Auf den ersten Blick scheint es logisch, dass man für die Rolle des Hitler einen großen Darsteller braucht, auf den zweiten wäre ein kleiner oder keiner vielleicht auch interessant. Es geht um die letzten Tage im Bunker, die Pabst mit einer großen Liebe zum weitwinkligen Schattenreich früherer deutscher Bildstrategien inszeniert und mit mancher Brutalität beziehungsweise einem Moralapostel in Form eines völlig fehlbesetzten (Lukas Foerster empfand dieses Overacting als subversives und gelungenes Element im Film) Oskar Werner, aufweicht. Es sind die scheinbar gleichen Quellen auf die sich die Filme stürzen, es passiert das gleiche, nur dass bei Hirschbiegel mehr Emotionalität zugelassen wurde, vielleicht auch dem zeitlichen Abstand „geschuldet“. (Der Hund, zum Beispiel, stirbt nicht bei Pabst).

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Wie aber lässt man nun Hitler sterben? Der Vorschlag wäre und so wolle es auch Erich Maria Remarque, der die Filmnovelle schrieb, auf der Der letzte Akt beruht, dass Hitler stirbt wie eine Ratte im Keller. Nicht so mit Pabst, denn Pabst flirtet zwar mit der absurden Demaskierung, die Aleksandr Sokurov in seinem Moloch und auch The Sun praktiziert, aber am Ende macht er einen Film, der Hitler wohl gefallen hätte. Hitler stirbt nämlich nicht im Bild. Flammen bleiben, das Feuer und eine Warnung. Es ist sicherlich ein gut gemeinter Versuch, die Person gegen ihren eigenen Willen zu instrumentalisieren, als Mahnmal, aber dem Ganzen haftet so ein Geschmack von „Aus Fehlern lernt man.“ an, also auch ein Verzeihen, das absolut problematisch ist. Die Kamera spielt die Inszenierungsstrategien ihrer Subjekte hier mit. Sie blickt nicht durch sie hindurch, es ist ein Film, der immer noch paralysiert scheint von Nazideutschland, der auch ganz klar zeigt, dass Pabst unter anderem eng mit Leni Riefenstahl zusammenarbeitete in früheren Arbeiten und indem es keine Banalität gibt, sondern nur den Horror, die Ehre und die Angst.

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Wie sehr sich Pabst mit dem Rhythmus der Nazis identifiziert zeigt sich auch in seiner Montage beziehungsweise seinem Erzählrhythmus. So gibt es ein beständiges Stop n‘ Go, dass mit militärischer Präzision die zackigen Bewegungen der Soldaten und Offiziere nachempfindet, das „Jawohl“, das Pabst narrativ anprangert und die Stiefel, die gegeneinander schlagen bevor sie auf Befehle warten, zu einem ästhetischen Programm werden lässt. Ein Beispiel findet sich in der außergewöhnlichen Tanzszene der Schattenangst in der Schenke des Führerbunkers. Eine Frau beginnt einen wilden Striptease, die Zügel fallen auf den blutigen Boden und plötzlich knallt es, das Licht geht aus. Es ist ein Stop in dieser Bewegung, der sogleich weitergeht, wenn das Licht wieder angeht und wir uns im wilden Kuss zweier Verzweifelter finden. Immer wieder bewegt sich der Film so vorwärts. Warten-Gehen-Stoppen-Weitergehen-Warten-Gehen…das Problem ist, dass es immerzu eine Bewegung nach vorne gibt. Was wir vergessen in diesen Bewegungen, die nicht akzeptieren wollen, die sich in eine Körperlichkeit retten, um zu vergessen, dass sie sterben werden, ist dass sie selbst eine Schuld daran tragen. Die Flammen eines Fiebers scheinen hier zu glühen, als wäre alles nur ein Traum, eine Erinnerung aus dem Schattenreich. Eine verdrängende Erinnerung, die nach vorne gerichtet ist und daher zum Verschwinden verdammt ist. Was wir nicht vergessen sollen laut der expressionistischen letzten Szene, ist dass so etwas nie wieder passieren darf. Und man fragt sich tatsächlich, was Pabst meint: Man darf nie wieder blind solchen Leuten folgen? Okay. Aber auch: Deutschland darf so etwas nie wieder passieren? Die armen Deutschen und G. W. Pabst…

Der letzte Akt ist ein beeindruckender Film des Verdrängens, wo er es nicht sein dürfte. Am schlimmsten daran ist, dass er eine Attraktivität in diesen Bunker legt, die einen die Tabus überwinden lassen will. Eine Idee den Tod von Hitler zu zeigen, wäre es, den Tod von Hitler zu zeigen.

What we do in the shadows – Following a trace in I Walked with a Zombie

The concern with this particular shot must have crept in at some point after having watched Jacques Tourneur’s I Walked with a Zombie’s perplexing last four minutes for the 13th time. It was part of the process of getting prepared for that wonderful weekly gathering at which we discuss the films of Val Lewton in an extremely frigid building. If I was expecting to find the tools to encrypt the film’s last minutes, I am very glad to say that I did not. I Walked with a Zombie remains to me as beautifully ambiguous as before.

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Nevertheless, something about the composition of this particular shot troubled me. The rocks surrounding, the exit to the sea, the figures seen from behind, all seemed somehow familiar. I suddenly thought of Arnold Böcklin’s Isle of the Dead and, though it may be ridiculous, I did not at that moment ask myself why I recalled this particular painting with such ease.

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Putting the images side by side (they had by then multiply mutated – I had paralyzed the shot from I Walked with a Zombie into a screenshot and I had picked out an image of one of Böcklin’s versions of the painting online) firstly resulted in sheer disappointment. In my attempt to compare them, I was looking merely at the shapes. Yet then I realized that looking out from the shore (a change of perspective, the counter-shot), the exit from the Isle of the Dead would look very similar to what can be seen in the shot that concerned me so.  (If this is an attempt to escape from the Isle of the Dead, does it succeed? Is this absolution or damnation? Is the ending the victory of the rational or the irrational?)

My comprehension of the connection between the setting where the ‘action’ of Zombie is supposed to take place and the isle of the dead was by that time perhaps long due.  Firstly because the painting (a reproduction thereof) can be seen earlier in the film, secondly because, of course, Lewton produced, a few years after the completion of Zombie, Isle of the Dead, which deals more explicitly with Böcklin’s painting.isleo

Though the island of St. Sebastian in the West Indies, the diegetic setting of I Walked with a Zombie, does not seem to exist as an isolated island, there is an island called Santa Clara which appertains to the Spanish municipality San Sebastian and it was to this island that the people of San Sebastian infected by the plague were transferred to in order to keep the infection from spreading. In Lewton’s Isle of the Dead the island is also presented as a place governed by the plague.

After having finally gotten a grip on the connection between I Walked with a Zombie and Arnold Böcklin’s Isle of the Dead, it still seemed a bit far-stretched to accredit this awareness to the composition of this particular shot I had started from. I considered consulting the script and ended up doing it. The scene was not shot as described and, when I found the approximate spot I was looking for, there was no reference to Böcklin’s painting. I faced disappointment once more. Yet looking en passant at the following pages, I stumbled upon this

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I did find some comfort in the confirmation for Zombie turning to (Böcklin) paintings to draw inspiration for the composition of the shots, so I continued following the trace. Once more, the scene had ended up being shot differently than described. My superficial search for a Böcklin painting named And the sea gave up its dead was futile, although the painting might very well exist. However, there is a painting by Lord Leighton Frederic entitled “And the sea gave up the dead which were in it” (and having this Bible-quote to put in relation to the film did give me some satisfaction).  I had chosen an image to fit the approximate spot described in the script, put the two images side by side and was, once again, disappointed.

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I kept scrolling through images of the paintings of Böcklin until stumbling upon several portraying Triton and (a) Nereid and assumed that it was one of this paintings that was intended to ‘somewhat influence the composition of this scene’.  I also assumed that ‘this scene’ ended up in the film as this dissolve that makes my heart skip a beat.

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I found a connection between Triton, messenger of the sea and Carrefour, also a messenger (but of what?). And then I imagined having found a connection between Triton’s trident and the tools the fishermen use when looking for Jessica’s body, tools that the script described as spears and ended up being very trident-looking. It also seemed natural for this scene’s equivalent of a Nereid, a protector of fishermen, to be found by fishermen. If nereids are usually represented as beautiful barefoot girls wearing silk gowns, it seemed only natural for Jessica to be presented in the same manner. (If the Nereids symbolize everything that is beautiful and kind about sea, does Jessica’s death put an end to the putrescence previously associated with the sea? Is the death a death?)

At that point I, realizing that I will not find enlightenment, I stopped following and remained blissfully perplex. Of course, there is also this and perhaps much more:

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