3. Interview

Nach längerer Pause nun das dritte Interview mit der 70jährigen Helene aus Berlin.Sie ist Rentnerin und ehemalige Kulturjournalistin. Ich habe sie bei einem Kinobesuch getroffen und gefragt, ob sie sich interviewen lassen würde. Sie war sofort davon begeistert, auch wenn sie von einer Veröffentlichung in einem Blog tendenziell nichts hält. Einverstanden war sie trotzdem.
Midnight in Paris von Woody Allen
Wann waren Sie zuletzt im Kino? 
Gestern Abend habe ich mir den neuen Film von Woody Allen angesehen. Midnight in Paris.War sehr nett und unterhaltsam.                                                                                                                 
Haben Sie viele Filme von Woody Allen gesehen?
Puh, da bin ich überfragt. Was hat er denn gemacht?
Manhattan, Der Stadtneurotiker?
Ja natürlich! Tolle Filme. Der macht jedes Jahr einen Film, oder? 
Genau.
Ja ich mag seine Art. Ein Mann, der noch versteht, dass man Frauen zum Lachen bringen muss, um ihre Herzen zu erobern. Und er nimmt sich nicht so wichtig, wie das heute immer so ist in Filmen.
Wird Ihnen nicht ein wenig zu viel gesprochen in seinen Filmen?

Nein.
Wie oft gehen Sie ins Kino?
Einmal die Woche. Immer Dienstags. Da ist hier Kinotag, ist ein bisschen billiger.
Was ist Ihr Lieblingsfilm?
Sowas kenne ich gar nicht. Da habe ich gar nicht das Bedürfnis. Immer alles zu ordnen und zu sortieren. Ich kenne viele gute Filme. Wenn ich jetzt einen speziell nennen müsste…also ich muss sagen, dass mir seit Jahren kein Film mehr untergekommen ist, der mich wirklich umgehauen hat. Also Bergman fand ich immer toll. Da waren noch die Charaktere im Zentrum und die Bilder haben mich tagelang beschäftigt.
Nutzen Sie die Möglichkeit Filme zu Hause zu schauen?
Ich habe kein Fernsehgerät. Ab und zu treffen wir uns bei Freunden und schauen Tatort oder die Männer schauen Fußball und wir unterhalten uns im Nebenzimmer. (lacht)
Das heißt sie sehen im Jahr ungefähr 50 Filme. War das früher anders?
Früher klingt hart…Ja, ich habe viel weniger gesehen, war aber häufiger im Kino. Das war ein Treffpunkt, wie heute eine Bar. Man hat sich mit Jungs getroffen oder mit Schulfreunden, hat sich unterhalten. Es liefen als ich ein Kind war sogar noch Nachrichten im Kino.
Würden sie sagen, dass die Filme von heute schlechter sind?
Nein.
Warum?
Weil Filme auch immer ein wenig das Spiegelbild ihrer Zeit sind. Ich habe mich in meinem Leben recht viel mit medialen Erscheinungen beschäftigt, da ich im Feuilleton von zum Beispiel der Süddeutschen Zeitung tätig war und es war immer so, dass die Filme der Jugend von den Erwachsenen nicht verstanden wurden. Und wenn man dann bei uns ein bisschen intelligenter war und sich mit Kunst auseinandergesetzt hat, dann hat man sich in den 60er Jahren halt französische Filme angesehen. Und bei mir zu Hause haben die Eltern sich gewundert, wie man nur was von den Franzosen anschauen kann.Ich frage mich heute dagegen, wie man 5 Euro mehr bezahlen kann, um einen ganzen Film durch eine Brille zu betrachten.
Ist Film für Sie Kunst?
Natürlich.
Aber in der Massenwahrnehmung ist es Unterhaltung?
So wie jede Kunst. 
Malerei?
War zu ihrer Hochzeit auch Unterhaltung. Es liegt immer in der Wahrnehmung des Betrachters.
Da wir uns zufällig im Kino gesehen haben weiß ich, dass sie alleine dort waren. Warum?
Warum waren sie?
Weil ich für einen Film keine Begleitung brauche, weil ich mich in einem Kinosaal nie allein fühlen könnte.Und vor allem, weil ich wegen des Filmes ins Kino gehe.
Sehen sie. Was ist ihr Lieblingsfilm?
(lacht) Hier geht es um Sie.
Okay. Ich will damit nur aufzeigen, dass es hier um subjektive Wahrnehmung geht. Aber machen sie ruhig weiter.
Was sehen sie sich als nächstes im Kino an?
Das sehe ich in der Zeitung. Aber nachdem Sie mir da so vorgeschwärmt haben, werde ich vielleicht auch diesen Blue Valentine ausprobieren. Alleine ansehen haben Sie gesagt?
Wirkt stärker. Was würden Sie zu jemanden sagen, der behauptet, dass Bergman und allgemein das Kino ihrer Generation einfach nur unerträglich langweilig ist, weil einfach nichts passiert und man stundenlang auf die nächste Einstellung wartet. Das Ihnen die Selbstironie fehlt und die meisten älteren Filme die Zeiten nicht überdauern?
Ich würde sagen, dass er noch viel zu sehen hat in seinem Leben. Oder in ihrem.

Das Schweigen von Ingmar Bergman-lovin it

3 Interviews sind definitiv zu wenig, um sich ein Urteil zu erlauben. Aber sie geben ganz unterschiedliche Ansichten zum Thema „Was ist Film?“ Midnight in Paris ist in der Tat recht empfehlenswert, ganz im Gegensatz zum dem etwas überhypten, sicherlich nicht schlechten Crazy, stupid love, bei dem man getrost auf die DVD warten kann. Die wirkliche Empfehlung momentan in den Cinemas ist Blue Valentine. Geht noch, so lange er läuft. Schauspielerisch der beste Film in Jahren.